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Württemberger:innen im Spanischen Bürgerkrieg

Vom Neckar an den Ebro

Württemberger:innen im Spanischen Bürgerkrieg: Vom Neckar an den Ebro
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Mehrere Zehntausend Freiwillige aus aller Welt kämpften im Spanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Republik. Wie viele davon aus Württemberg kamen und wer sie waren, dazu ist wenig bekannt. Unsere Autor:innen haben sich auf die Suche nach Namen und Gesichtern gemacht.

Gottlob Feidengruber, verheiratet, Metallarbeiter und Kommunist in Heilbronn, nach der Flucht vor NS-Verfolgung nach Frankreich ab 1936 im Sanitätsdienst des Thälmann-Bataillons der Internationalen Brigaden. Ab 1943 in der Résistance, 1944 von einem Kommando der Wehrmacht erschossen.  Foto: Stadtarchiv Heilbronn

Für einen Betty-Rosenfeld-Platz in Stuttgart engagiert sich seit Mitte 2022 eine Initiative, Ausgang ungewiss. Vor über 70 Jahren wurde einmal eine Straße in Fellbach nach Hermann Kramer benannt (und bald wieder umbenannt), es gibt heute einen Platz und Stelen für Gerda Taro in Stuttgart, eine Gedenktafel und einen Stolperstein in Heilbronn für Gottlob Feidengruber, außerdem Stolpersteine für Karl Rumberger in Stuttgart-Zuffenhausen und für Waldemar Völker in Stuttgart-Feuerbach – das sind alle öffentlichen Erinnerungen an die bisher gefundenen 54 Menschen, die 1936 und 1937 aus Württemberg nach Spanien gingen. Sie kämpften auf der Seite der spanischen Republik gegen den Militärputschisten Francisco Franco und die Söldner der deutschen Nazis ("Legion Condor") und der italienischen Faschisten ("Corpo Truppe Volontare"). 1939 endete der dreijährige Bürgerkrieg mit einem Sieg Francos.

Die Suche nach Namen und Gesichtern ist schwierig: Beim "Haus der Geschichte" in Stuttgart ergeben die Suchbegriffe "Spanien", "Internationale Brigaden" und "Gurs" (ein französisches Internierungslager für Flüchtline aus Spanien) keine Treffer. Ein von Werner Abel und Enrico Hilbert erstelltes Verzeichnis von über 3.500 Personen aus Deutschland, die ab 1936 in Spanien auf der Seite der Republik aktiv waren, erbringt zwar Namen, die Angaben sind aber kaum zu überprüfen, denn es fehlen Quellenangaben. Viele Informationen verdanken wir der Datenbank "Sidbrint" der Universität Barcelona. Eine Anfrage bei der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) ergänzt etliche biografische Lücken. In einigen "Fällen" helfen Stolperstein-Initiativen weiter. Das im vergangenen Jahr erschienene Buch über Betty Rosenfeld von Michael Uhl ist eine verdienstvolle Arbeit, gehört doch Betty Rosenfeld – wie Gerda Taro – als jüdische Frau in zweifacher Hinsicht zu einer Minderheit. Doch so gründlich recherchierte Biografien wie diese oder die über Gerda Taro von Irme Schaber sind die Ausnahme. Es bleibt also nur, die Leerstelle "Spanienfreiwillige aus Württemberg" eben selbst zu füllen, es zumindest zu versuchen:

Waldemar Völker, 1916 in Stuttgart-Feuerbach geboren, Lehrling, als Antifaschist verfolgt, Flucht über die Schweiz nach Frankreich, ab 1936 in Spanien zur Verteidigung der Republik. Am 7. Juli 1937 Tod durch eine Handgranate der Franco-Faschisten.  Foto: Hildegard und Heinz Wienand

Spanienfreiwillige aus Württemberg sind nach dem derzeitigen Wissensstand – bis auf Betty Rosenfeld und Gerda Taro – alle männlich, ihr Durchschnittsalter beträgt 31 Jahre. Fast alle sind entweder Facharbeiter im Metallbereich oder Handwerker mit qualifizierter Berufsausbildung, von zwei Kaufleuten, einem Lehrer und einem Studenten abgesehen. Bei mehr als der Hälfte ist die politische Orientierung bekannt: Kommunisten machen vier Fünftel aus, die Übrigen sind Sozialdemokraten und Sozialisten. Sie engagieren sich bis 1933 in der Gewerkschaft, bei den Naturfreunden, in Arbeitersportvereinen, bei der Roten Hilfe und beim "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" zur Verteidigung der Republik.

Die meisten der bekannten Freiwilligen kommen aus dem Großraum Stuttgart, einige aus Bietigheim, Heilbronn, Ludwigsburg und Reutlingen. Ein Fünftel haben die Nazis ab 1933 ohne Anklage oder gar Urteil in sogenannte "Schutzhaft" gesperrt, unter anderem in die Konzentrationslager Heuberg auf der Schwäbischen Alb und Kislau bei Bruchsal. Mehr als die Hälfte kann ab 1933 vor Verfolgung durch die Nazis vor allem in die Schweiz und weiter nach Frankreich fliehen und geht von dort 1936 nach Spanien.

Betty Rosenfeld, 1907 in Stuttgart geboren, Jüdin, Krankenschwester, dem Kommunismus nahestehend, emigriert 1935 nach Palästina und schließt sich 1937 den Internationalen Brigaden an, für die sie im Sanitätsdienst arbeitet. Ab 1939 in französischen Lagern interniert, wird sie 1942 von der Vichy-Regierung an die Nazis ausgeliefert und in Auschwitz ermordet.  Foto: Archives nationales

In Spanien mit und ohne Gewehr

Die Mehrzahl der Spanienfreiwilligen aus Württemberg kämpfen mit Waffen in den Internationalen Brigaden wie zum Beispiel im Thälmann-Bataillon. Knapp ein Drittel gehört zu anarchistischen Milizen wie der "Colonna Durruti" oder der CNT (anarchosyndikalistische Gewerkschaft); diese Milizen lehnen die Militarisierung des Widerstands gegen Franco mit Befehlshabern und Rangabzeichen genauso ab wie die Dominanz und das Spitzelsystem der stalinistischen "Berater" in den Internationalen Brigaden. Zehn der Freiwilligen "kämpfen" auf andere Weise: Sechs sind im Sanitätsdienst – so auch Betty Rosenfeld –, die übrigen vier arbeiten entweder beim Freiheitssender 29,8: als Fotografin wie Gerda Taro, als Korrespondent für die Verteidiger der Republik oder als Übersetzer für die anarchistische CNT wie Walter Hirsch aus Reutlingen, Arbeitersportler, Sozialdemokrat, im "Reichsbanner" zur Verteidigung der Republik und Jude.

Lebenswege und Schicksale nach Spanien

Paul Ayen, Schreiner, verheiratet, Kommunist und Teilnehmer des Generalstreiks am 31. Januar 1933 in Mössingen gegen die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler. Ab 1936 in Spanien im Tschapajew-Bataillon der Internationalen Brigaden.  Foto: Stadtmuseum Mössingen

Acht der Verteidiger der Republik überleben die Kämpfe nicht, unter ihnen Waldemar Völker, 1916 in Feuerbach geboren, der jüngste der Spanienfreiwilligen. Zwei kommen durch Unglücksfälle ums Leben, und sechs Lebenswege sind ungeklärt. 38 Freiwillige müssen 1938/39 Spanien verlassen. Die meisten werden an der Grenze entwaffnet und in Lagern in Südfrankreich interniert, 16 allein im Lager Gurs westlich von Pau, so auch Rudolf Sperandio aus Stuttgart. In dieses Lager verschleppen die Nazis Ende Oktober 1940 über 6.500 jüdische Menschen aus Baden, der Pfalz und dem Saarland – ein Verbrechen, das außerhalb dieser Regionen weitgehend unbekannt ist. Weitere acht der aus Spanien Abgeschobenen sperren die französischen Behörden in Argelès-sur-Mer südlich von Perpignan, in St. Cyprien und Le Vernet hinter Stacheldraht.

Weiterkämpfen gegen Hitler

Drei Spanienfreiwillige kommen aus den Internierungslagern heraus und schließen sich ab 1940 der Résistance an, dem französischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Zu diesen gehört auch Gottlob Feidengruber aus Heilbronn, den die Nazis im Januar 1944 in der Festung Mont Valérien bei Paris wegen "Zersetzung der Wehrmacht" erschießen. Zwei kämpfen in der Fremdenlegion gegen die Wehrmacht, zwei sind in Großbritannien in Solidaritätskomitees aktiv und einer arbeitet in Schweden in der SOE mit, einer Gruppe des britischen Geheimdienstes. Der Fellbacher Kommunist Hermann Kramer entgeht zwar der Internierung in Frankreich, weil er es 1939 erst nach Großbritannien und dann in die Sowjetunion schafft, aber kurz nachdem er 1944 mit dem Fallschirm über der Schwäbischen Alb abspringt, wird er von der Gestapo gefasst und im KZ Sachsenhausen ermordet.

Walter Vosseler, Uhrmacher, Gewerkschafter, Naturfreund und Kommunist in Schwenningen. Ab 1937 kämpft er in Spanien im Hans-Beimler- und im Ernst-Thälmann-Bataillon, wird 1939 im Lager Gurs in Südfrankreich interniert, 1941 ins "Reich" ausgeliefert und in den Konzentrationslagern Welzheim und Flossenbürg eingesperrt. Im April 1945 durch die US-Armee von einem Todesmarsch befreit, geht er über Wien und Prag nach Berlin und arbeitet später als Diplomat im Außenministerium der DDR.  Foto: Guttschie/Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0, Link

Verschleppt ins "Reich"

13 der Spanienfreiwilligen werden von den mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Behörden an die Wehrmacht ausgeliefert und ins "Reich" verschleppt: Zwei überleben die Haft im Zuchthaus Ludwigsburg, neun die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Mauthausen und Neuengamme und ein Gefängnis in Berlin. Karl Rumberger aus Stuttgart-Zuffenhausen überlebt das Konzentrationslager Flossenbürg nicht, Betty Rosenfeld aus Stuttgart ermorden die Nazis im Vernichtungslager Auschwitz.

Es steht noch dahin, ob die Spanienfreiwilligen aus Württemberg dem Vergessen entrissen und gewürdigt werden. Für unsere Vorkämpfer:innen aus Baden und dem Saarland gibt es Veröffentlichungen, für die aus Württemberg fehlt es noch an weiteren Namen, Gesichtern und Lebenswegen – für Hinweise an die Redaktion sind wir dankbar. Sie könnten gerade heute bei der Orientierung in Kriegs- und Krisenzeiten hilfreich sein.


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3 Kommentare verfügbar

  • Andreas Lobe
    am 13.09.2023
    Antworten
    Wichtiges, interessantes Thema, Danke dafür.
    Probleme habe ich mit einem Seitenaspekt - im Gesamtzusammenhang nicht so wichtig und interessiert wahrscheinlich nur mich. Aber trotzdem: Geht es an, Menschen, die in einem Krieg, einem Kriegsgebiet als Journalisten/innen, Krankenpfleger/innen oder…
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