Vor Kurzem ist ein 672 Seiten dickes Buch über diese jüdische Familie erschienen, der promovierte Historiker Michael Uhl hat es nach Recherchen geschrieben, die er 1994 mit der Erforschung des Spanischen Bürgerkriegs begonnen hatte: "Betty Rosenfeld. Zwischen Davidstern und roter Fahne" (Schmetterling Verlag, Stuttgart). Die "Frankfurter Rundschau" nennt es eine "der bemerkenswertesten Neuerscheinungen dieses Frühjahrs". Betty, die Protagonistin des Werks, war nach ihrer Flucht vor den Nazis aus Stuttgart nach Palästina eigentlich schon in Sicherheit. Ihre Schwester Ilse emigrierte später in die USA, ihre andere Schwester, Charlotte, schaffte es nicht mehr nach Amerika. 1937, im Jahr als ihr Vater Benjamin stirbt, erwacht in Betty der Wille, etwas zu tun. Sie reist über Frankreich nach Spanien und schließt sich im Bürgerkrieg den Internationalen Brigaden im Kampf gegen Francos Faschisten an. Sie ist ausgebildete Krankenschwester, vom Kommunismus inspirierte Antifaschistin und will den Genossen helfen. Im Sanitätsdienst der Brigaden kümmert sie sich um Schwerverletzte.
Auf dem Deckel des Buchs findet sich der schlichte Hinweis "Biographie". Doch es geht um viel mehr in dieser fast übermenschlichen Forschungs- und Schreibarbeit des Autors Michael Uhl, geboren 1971 in Stuttgart. Zum ersten Mal habe ich ihn im Sommer 2017 getroffen, jetzt, fast fünf Jahre später, begegne ich ihm wieder, eher zufällig. Er wohnt in Tübingen, ist aber gerade in Stuttgart, als ich ihn anrufe, um mich nach der Buchpräsentation zu erkundigen. Da muss doch endlich was passieren, dachte ich, nachdem ich mir das gewichtige Stück in meiner Buchhandlung besorgt hatte. Am 23. März dieses Jahr jährte sich Betty Rosenfelds Geburtstag zum 125. Mal. Vor 80 Jahren, sehr wahrscheinlich am 9. September 1942, wurde sie kurz nach ihrer Ankunft im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet wie auch ihr Ehemann Sally Wittelson aus Leipzig.
Das Buch wird, das steht inzwischen fest, am 1. Juni im Hotel Silber vorgestellt. Ich habe noch nicht alles gelesen, aber genug, um sagen zu können: Uhls präzise Erzählweise in einfacher Sprache lässt nicht nur Betty Rosenfeld vor meinen Augen auferstehen, auch die Vergangenheit einer ganzen Stadt erwacht wie in einem Spielfilm. Die Zwanzigerjahre, der Nazi-Terror. Das Buch im Kopf komme ich mir vor dem ehemaligen Haus der Rosenfelds vor wie einer, der beim Herumgehen aus der Zeit fällt. Hier waren die Wohnung der Familie und die Firma des Maschinenöl- und Putzmittelhändlers Benjamin Rosenfeld. Szenen der Vergangenheit und Gegenwart treffen für mich aufeinander.
Das Buch mit seinen zwölf chronologisch geordneten Kapiteln und zahlreichen Abbildungen löst etwas aus, das mich, wenn auch auf andere Art, an die Stuttgarter Miniaturwelten erinnert, an die Modellanlage des begnadeten Workaholics Wolfgang Frey. Seit einiger Zeit ist sie am Arnulf-Klett-Platz 1 - 3 zu sehen. Wie ein Besessener hat ihr Erbauer dreißig Jahre gearbeitet, eine eigene Welt erschaffen. In seinem Fall eine Welt namens Stuttgart, die symbolisch für sein Leben steht.
Michael Uhl hat eine ganze Welt ausgegraben
Michael Uhl wiederum hat wie ein Getriebener in jahrzehntelanger aufopferungsvoller Forschungs- und unermüdlicher Schreibarbeit eine Welt ausgegraben, unterschiedliche Perspektiven eröffnet und verbunden. Seine Geschichte ist nicht nur eine Hommage an eine vergessene junge Frau, die ihr Leben dem Kampf um Freiheit opferte. Er beleuchtet auch die politische Epoche einer Stadt, das jüdische Leben und den Spanischen Bürgerkrieg. Das Ergebnis dieser Spurensuche ist ein bewegendes Leseabenteuer. Seine Arbeit vermittelt eine ähnliche Kraft, wie sie der Autor in seiner Leidenschaft als Rockabilly-Gitarrist auslebt. Der Name Betty Rosenfeld erschien ihm anfangs wie eine geheimnisvolle, ergreifende Songzeile. In den vergangenen Jahren hat er sich regelrecht verausgabt, viele Länder bereist, um Dokumente und Zeugen zu finden. Er war in Frankreich, Russland, Israel, den USA, lange in Spanien. Die Stuttgarter Initiative Die Anstifter hat ihn dabei finanziell unterstützt. Er ist ein Neugieriger, ein Rastloser, der sich nicht schont, nicht aufgibt.
5 Kommentare verfügbar
Joe Bauer
am 05.05.2022„Happiness Is A Warm Gun is NOT about heroin. A gun magazine was there with a smoking gun on the cover and an article that I never read inside called 'Happiness Is a Warm Gun.' I took it right from there.“ (John Lennon)
Meine Assoziation bezieht sich…