KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Fotografien gegen den Krieg

Fotografien gegen den Krieg
|

Datum:

Das Leben von Gerda Taro und Robert Capa war Stoff für Romane und soll – als Liebesgeschichte – wohl bald auch die Kinos erobern. Doch die beiden Kriegsreporter haben vor allem Medien- und Fotogeschichte geschrieben. Irme Schaber hat jetzt eine Biografie über Gerda Taro vorgelegt, die weit über ihre frühere Forschungsarbeit hinausgeht.

Zurück Weiter

Gerda Taro hat sich gemein gemacht mit den Milizen, die in Spanien gegen die Einheiten von Putsch-General Francisco Franco kämpften. "Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten", wie es der langjährige "Tagesthemen"-Moderator Hajo Friedrichs einst gefordert hatte, das war nicht die Sache der jungen Fotografin. Und "im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein" (O-Ton Friedrichs), das wollte sie auch nicht.

Schon drei Wochen nach dem Putsch der Franco-Faschisten im Sommer 1936 sind Gerda Taro und Robert Capa in Barcelona, "bewaffnet" mit damals neuen, leicht transportierbaren Kleinbildkameras wie der Leica. Und sie dokumentieren als Erstes die Ausbildung von Milizen, die die Putschisten bekämpfen wollen.

"Geschichte machen und Geschichte fotografieren sollten ineinander greifen." So fasst Irme Schaber die Haltung von Taro und Capa zusammen. Mit ihren Bildern, so die Kulturwissenschaftlerin, wollten sie aufrütteln, aufklären und öffentlichen Druck auf Regierungen wie die französische oder die britische erzeugen, die sich gegenüber Franco neutral verhalten hatten. "Die Fotos sollten Belege, Fakten und Argumente liefern, mussten also Anschaulichkeit und Authentizität vereinen", schreibt Schaber, die mit Unterbrechungen seit fast 25 Jahren über Gerda Taro forscht und publiziert. Sie hat Zeitzeugen und Archive quer durch Europa und in den USA besucht und 2007 die erste Gerda-Taro-Ausstellung am International Center of Photography in New York kuratiert.

Der mexikanische Koffer

Für ihr neues Werk konnte Schaber einen fotohistorisch sensationellen Fund auswerten, den <link http: www.zonezero.com exposiciones fotografos ziff _blank>"mexikanischen Koffer", der Tausende verloren geglaubter Spanien-Negative von Capa, Taro und "Chim" Seymour enthielt, den drei Fotografen, die in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre die Kriegsfotografie des 20. Jahrhunderts begründetet hatten. Capa und Seymour haben später die legendäre Fotoagentur Magnum gegründet.

Die Taro-Biografin Schaber und Gerda Taro haben eines gemeinsam, sie stammen aus der Region Stuttgart. Taro ist in der württembergischen Landeshauptstadt 1910 als Tochter einer jüdischen Migrantenfamilie mit polnischem Pass zur Welt gekommen. Sie hieß eigentlich Gerta Pohorylle. Die Eltern stammten aus Galizien. Der Vater betrieb einen Eiergroßhandel. Die Familie wohnte in der vornehmen Alexanderstraße.

Die junge Gerta hatte ein einnehmendes und selbstsicheres Auftreten, war gescheit, hübsch und trug überaus elegante Kleidung. Sie liebte Jazz, ging gerne in die exquisite Tanzbar Excelsior und spielte auf der Waldau in Stuttgart-Degerloch Tennis, dort, wo die Hautevolee verkehrte. Auch später sei sie durch ihre "lässige Schönheit" aufgefallen, berichtet Irme Schaber. Bei ihrem Einsatz im Spanischen Bürgerkrieg trug sie aber meist Drillichanzug oder Latzhose.

Nach dem Umzug der Familie nach Leipzig 1929 und dem zunehmenden Erstarken der NSDAP nimmt Gerda Taros politisches Interesse zu. Sie bewegt sich im Umfeld der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), ist aber nie einer Partei beigetreten. Die SAP, zu der auch der spätere Bundeskanzler Willy Brand gehörte, war aus der SPD hervor gegangen und forderte eine Einheitsfront gegen die Nazis. Vergeblich.

Kurz nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler wird Gerda Taro von SA-Männern verhaftet. Nach drei Wochen kommt sie – nicht zuletzt wegen des Drucks des polnischen Konsulats – frei und geht noch im selben Jahr ins Exil nach Paris.

In der französischen Hauptstadt lernt sie den aus Ungarn stammenden Fotografen André Friedmann kennen, der sich später Robert Capa nennen wird. Auch er ist auf der Flucht. Die beiden verlieben sich und arbeiten zusammen. Ihre Aufnahmen vom Spanischen Bürgerkrieg werden in namhaften europäischen und amerikanischen Zeitschriften abgedruckt. "Es war der erste Medienkrieg", sagt Irme Schaber, "und die Illustrierten wollten dramatische Bilder."

Taro dringt in die Männerdomäne des Krieges ein

Gerda Taro reist immer wieder an die Fronten, mal mit Capa, mal alleine. Mithilfe des Fotoapparats dringt sie in die Männerdomäne des Krieges ein. Sie prangert den Bombenterror der deutschen "Legion Condor" an, zeigt das Leid der Flüchtlinge. Ihre Bilder und ihre Bildsprache, so Irme Schaber, seien eine Antwort auf die Verherrlichung von Krieg und Gewalt. "Mit der kruden Dokumentation des Kriegsalltags, den Porträts der normalen Menschen, seien sie Soldaten oder Zivilisten, antwortete sie auf die faschistische Verherrlichung von Tod und Technik."

Mitte 1937 dokumentiert Gerda Taro die Schlacht um Brunete, 25 Kilometer westlich von Madrid, wo rund 100 000 Soldaten kämpfen. Auf der Rückfahrt greifen die Deutschen mit Tieffliegern an. Es kommt zu einem tragischen Unfall, bei dem Taro vom Wagen stürzt und von einem Panzer der republikanischen Truppen überrollt wird. Sie wurde 27 Jahre alt.

An die 100 000 Menschen sollen ihrem Sarg am 1. August 1937 in Paris gefolgt sein. Schriftsteller wie Pablo Neruda und Louis Aragon waren dabei, Emigranten aus Deutschland wie der Journalist Egon Erwin Kisch und die Literatin Anna Seghers. Eine Kapelle spielte Chopins Trauermarsch. Der Schweizer Bildhauer Alberto Giacometti gestaltete das Grabmal. Tief erschüttert von dem Verlust heiratete Capa nie wieder. Er starb 1954 in Vietnam, wo er während des Ersten Indochinakrieges für das Magazin "Life" fotografierte.

Nachdem Irme Schaber 1994 die Ergebnisse ihrer Taro-Forschung erstmals als Biografie (ebenfalls im Jonas-Verlag) veröffentlichte, begann sich das Taro-Bild international zu ändern. Auch Schriftsteller entdeckten die Geschichte. Mirjam Wilhelm in "Die Liebenden des Lichts", Martha Gellhorn im "Paare" in dem Band "Bis der Tod uns scheide", Francois Maspero in "L'ombre d'une photographe, Gerda Taro" und 2009 Susana Fortes in "Esperando a Robert Capa" (englisch "Waiting for Robert Capa").

Auf dieser Novelle soll der Spielfilm basieren, der zurzeit produziert wird, eine britisch-dänisch-spanischen Koproduktion. Die Schauspielerin Hayley Atwell spielt nach Angaben von "Sceen Daily" die Taro. Die Rolle von Robert Capa übernimmt Tom Hiddelston. Regie: Paul Andrew Williams. Titel: "Close enough", eine Anspielung auf Capas goldene Regel: "Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran."

Nachtrag: In Leipzig, wo Gerda Taro vier Jahre gelebt hatte, trägt eine Straße seit 1970 ihren Namen. In Stuttgart, wo sie immerhin ihre ersten 19 Lebensjahre verbrachte und in der Alexanderstraße wohnte, wurde 2008 eine kleine Wiese zwischen der Alexander-, der Dannecker- und der Hohenheimer Straße zum Gerda-Taro-Platz gemacht. Nach langem Hin und Her wird die Anlage 2014 neu gestaltet. Stelen mit dem Namenszug sollen den Erinnerungsort betonen.

 

Irme Schaber: "Gerda Taro – Fotoreporterin. Mit Robert Capa im Spanischen Bürgerkrieg, Die Biografie", 218 Abbildungen, Jonas Verlag, Marburg 2013.

Veranstaltungshinweis: "Gerda Taro – Die Kamera zieht in den Krieg", neue Recherche, Bilder, Lesung und Gespräch mit Irme Schaber und Joe Bauer, musikalische Begleitung Stefan Hiss. Montag, 14. Oktober 2013, 20.00 Uhr, Theaterhaus Stuttgart, Reservierung unter 07 11 / 40 20 7-20.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


1 Kommentar verfügbar

  • Zaininger
    am 13.10.2013
    Antworten
    Danke Irme, dass Du Dich seit Jahren dem vom offiziellen Kultur- und Historienbetrieb "vergessenen/verdrängten/ignorierten" Thema verpflichtet fühlst!
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!