Von 8. bis 12. Juni 1937 tagte in Stuttgart der Zweite Senat des Volksgerichtshofs. Die Richter waren extra aus Berlin angereist. Dieses Gericht war 1934 neu geschaffen worden; gegen seine Urteile war keine Berufung möglich. Gleichzeitig war das Gesetz gegen den Hochverrat drastisch verschärft worden. Verhandelt wurde gegen vier Männer und eine Frau: Artur Göritz, Alfred Grözinger, Stefan Lovász, Josef Steidle – und Liselotte Herrmann.
In den Prozessunterlagen wird festgestellt: "Zum Zwecke der sogenannten Antikriegspropaganda verwendet die KPD in ihrer internationalen Hetzpresse ganz planmäßig geheime, den Stand der Rüstung aufzeigende Nachrichten aus deutschen Rüstungsbetrieben und knüpft hieran die Behauptung, die Reichsregierung bereite einen Angriffskrieg vor."
Darum ging es. In der Begründung des Urteils hieß es, in Verfahren gegen Angehörige der KPD seien "vielfach Schriften der zentralen Leitung beschlagnahmt worden, die teilweise Zusammenstellungen über den Stand und die Art der deutschen Rüstungen aus fast allen Teilen Deutschlands enthielten". Irgendwo mussten diese "Zusammenstellungen" herkommen.
Am 12. Juni 1937 wurde das Urteil verkündet. Vier Todesurteile – drei gegen Göritz, Steidle und Lilo Herrmann wegen "Landesverrats in Verbindung mit Hochverrat unter erschwerenden Umständen", bei dem im Untergrund tätig gewesenen KPD-Bezirksleiter Lovász wegen "Hochverrat unter erschwerenden Umständen". Sein Stuttgarter Mitarbeiter Grözinger erhielt zwölf Jahre Zuchthaus wegen "Vorbereitung zum Hochverrat", die er im KZ Mauthausen überlebte.
Lilo Herrmann war früh politisch aktiv
Liselotte Herrmann, am 23. Juni 1909 in Berlin geboren, erlebte die Zeit des Ersten Weltkriegs als Kind behütet im gutsituierten Elternhaus. Ihr Vater war ein angesehener Ingenieur, der berufsbedingt mehrmals umzog. Als Schülerin kam Liselotte Herrmann in Frankfurt am Main in Kontakt mit sozialistischen Ideen. Als Abiturientin schloss sie sich in Berlin-Wilmersdorf dem Sozialistischen Schülerbund (SSB) an, der zur KPD tendierte. Aus Beiträgen in dessen Zeitschrift "Schulkampf" kann man entnehmen, dass sie an ihrer Schule von den Lehrern mit Gedankengut traktiert wurde, das – entgegen den von der Weimarer Republik unterschriebenen Friedenspakten und Konventionen – die Vorbereitung des Angriffskriegs propagierte. Ihr Abitursaufsatz behandelte zwei Dramen von Friedrich Hebbel über bemerkenswerte Frauen in der Antike und dem ausgehenden Mittelalter.
Im Jahr 1929, nunmehr 20-jährig, begann Liselotte Herrmann an der Technischen Hochschule Stuttgart ein Studium der Chemie. "Am Mühlrain 5", unterhalb der Alten Weinsteige in Stuttgart, stand auf der Visitenkarte von "Stud. chem. Liselotte Herrmann", mit der sich Studierende damals einen Platz im Hörsaal reservierten.
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Schwa be
am 23.06.2018