Mit beiden Füßen noch unter Papas Tisch vertickt ein Minderjähriger kiloweise Kokain aus seinem Kinderzimmer. Übers Darknet, dem verborgenen Teil des Internets. Zu dem sich – je nachdem, wie es gerade in die Darstellung passt – entweder nur die gewieftesten Hacker überhaupt Zugang verschaffen können oder schon Kleinkinder mit wenigen Klicks einen Killer anheuern können. Wenn die dunkle Seite des Netzes zum Gegenstand der Berichterstattung wird, sind es meist die anrüchigen, skandalträchtigen Themen, die ihr Aufmerksamkeit verschaffen: Das Darknet als unkontrollierbarer Umschlagplatz für einen skrupellosen Schwarzmarkt – hier werden Waffen, Drogen, Hehlerware, Menschen und Kinderpornografie gehandelt, hier gibt es einen Markt für alles, was illegal ist. Zumindest erzählt man sich das.
"Beim Thema Darknet", sagt der Journalist Stefan Mey zu Besuch in der Kontext-Redaktion, "kursieren jede Menge Mythen." Zehn Monate lang hat er Informationen über den herrschaftsfreien und überwachungsarmen Teil des Netzes recherchiert, Gerüchte geprüft und die Ergebnisse in einem Buch zusammengefasst. "Natürlich gibt es hier einen riesigen Schwarzmarkt", sagt der 37-Jährige. "Aber die wenigsten Plattformen sind komplett amoralisch." So würden auf den großen Portalen durchaus Drogen, Falschgeld oder gefakte Passpapiere gehandelt. Aber nur selten Waffen und so gut wie nie Kinderpornografie oder Prostituierte.
Also ein kurzer Besuch auf einer Darknet-Plattform, die laut einschlägigen Foren zu den größten und verlässlichsten zählt. Ein wenig erinnert die Aufmachung an Portale wie Amazon und Ebay, Nutzer*innen haben die Möglichkeit, Produkte zu bewerten und Erfahrungsberichte abzugeben. So bescheinigt 420_WizZzard dem Premium-Cannabis von Anbieter DutchMasters eine herausragende Qualität, Nutzer Amnito freut sich über ein paar gratis beigefügte Extrapillen bei einer Großbestellung Extasy. Weniger gut schneidet der Account von Bogeda ab: Aufgebrachte User beschweren sich, dass ihr bestelltes Crystal Meth nie angekommen ist, andere klagen über verunreinigtes Heroin.
Hier scheint es alles zu geben, wovor in der Drogenprävention gewarnt wird, mit 13 332 verschiedenen Angeboten. Ebenfalls im Sortiment sind knapp 200 Schusswaffen, darunter ein Sturmgewehr von Heckler und Koch, von dem ein Verkäufer aus den USA verspricht, es weltweit zu versenden. Angebote für Kinderpornografie oder Menschenhandel gibt es allerdings keine.
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