Mai 1945: Nach Zusammenbruch und Kapitulation Hitler-Deutschlands ist zwar der Krieg zu Ende, noch lange aber nicht das Chaos. Millionen Menschen hat der Krieg durch Flucht und Vertreibung zu Heimatlosen gemacht, er hat ihnen Familienangehörige geraubt, vielen alles Hab und Gut, die Arbeit und sogar das Obdach; allesamt leiden sie Not, Elend und Hunger.
Millionen Menschen sind fehl am Platze dort, wo sie sich befinden, als die Stunde null schlägt: Etwa sieben Millionen Menschen, in der großen Mehrzahl Osteuropäer, werden im Frühjahr 1945 von den Truppen der Westalliierten nach und nach aus Arbeits- und Konzentrationslagern der Nazis befreit. Sie sind als Kriegsgefangene oder als Zwangs- und Fremdarbeiter nach Deutschland verbracht worden oder haben als Gefängnis- und KZ-Insassen den Terror überlebt. Sie alle kriegen denselben Namen: Displaced Persons, kurz DP, heißen sie fortan, Menschen am falschen Platz.
Über ihr Schicksal hatten sich Roosevelt, Churchill und Stalin bereits im Februar 1945 bei der Konferenz von Jalta geeinigt: Repatriiert sollten sie werden, zurückgeführt in die Heimatländer. Das passierte auch in großem Stil; mehr als sechs Millionen DP erlebten Weihnachten 1946 dort, von wo sie einst verschleppt worden waren. Doch nicht jeder wollte wieder nach Hause, viele wollten genau das gerade nicht! Das waren vor allem ehemalige Zwangsarbeiter, die nicht in ihre von der Roten Armee besetzten Heimatländer zurückkehren wollten, jüdische Überlebende des Holocaust, die nach Palästina oder in die USA auswandern wollten, aber auch Osteuropäer und Balten, die freiwillig in der Wehrmacht gekämpft oder mit den Nazis kollaboriert hatten.
Nachkriegs-Camp überlebender Juden in der Reinsburgstraße
Rund eine Million DP galt es also zusätzlich unterzubringen und zu versorgen in größtenteils zerstörten Städten, in denen allenthalben Wohnungsnot und Hunger herrschten. Die Westalliierten übertrugen diese Aufgabe der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Agency), einer Hilfsorganisation der gerade in Gründung befindlichen Vereinten Nationen (UN). Durch sie wurden in allen größeren Städten der englischen, amerikanischen und französischen Besatzungszonen Lager eingerichtet, in denen Betroffene unterkommen konnten. In Stuttgart gab es ab Herbst 1945 zwei solche Zentren. Ein kleineres in Degerloch, in einer ehemaligen Sportschule der Nazis, und ein großes im Stuttgarter Westen, in der oberen Reinsburgstraße.
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Veit
am 04.05.2016