Die dänische Westküste im Mai 1945. Der Krieg ist vorbei, Kolonnen deutscher Gefangener trotten über die Landstraßen. Der Feldwebel Carl Rasmussen (Roland Møller) fährt mit seinem Jeep an ihnen vorbei. Dann hält er an, steigt aus, entreißt einem der Wehrmachtssoldaten eine dänische Flagge und schlägt ihn brutal zusammen. "Das ist mein Land!", brüllt der kantig-kräftige Mann mit dem militärisch gestutzten Schnauzbart. Er hasst die Deutschen, und er will sie auch weiter hassen, als er von seinem Vorgesetzten Ebbe Jensen (Mikkel Boe Følsgaard) den Auftrag bekommt, eine Gruppe Gefangener zu bewachen. Denen hat Jensen sarkastisch erklärt, was sie nun zu tun haben: "Den Strand von Landminen befreien, die Sie vorher hierhergebracht haben!" Und so wird dies nun einer jener Filme, in denen jederzeit etwas explodieren kann.
"Ihr dreckigen Schweine!", schreit Rasmussen. Und fragt, wenn er einen Gefangenen extrem gedemütigt hat, höhnisch nach: "Weinst du?" Rasmussen spricht sehr gut Deutsch, mit jenem leicht gelispelten "s", das in den Sechziger- und Siebzigerjahren durch dänische Unterhaltungsstars wie Gitte oder Vivi Bach im deutschen Fernsehen populär wurde. Bei Rasmussen jedoch klingt dieses skandinavische "s" wie eine Rückrufaktion: Weg mit der mädchenhaften Süße, lass es spitz und scharf klingen! Ja, er hasst die Deutschen für das, was sie angerichtet haben! Aber es wird schwer, alle zu hassen, wenn sie einzeln vor ihm stehen. Vor allem dann, wenn es so ernste, schmale Bürschchen in zerschlissenen Uniformen sind, die zu viel Erwachsenes gesehen haben und gerade deshalb noch kindlich Mäuse streicheln oder Käfern Namen geben. Sie wirken wie die Überlebenden jener Volkssturmgruppe, die in Bernhard Wickis Antikriegsklassiker "Die Brücke" (1959) in den letzten Tagen des Krieges eingezogen und traumatisiert wurden.
Der Drehbuchautor und Regisseur Martin Zandvliet hat für seinen mehrfach preisgekrönten Film "Unter dem Sand" eine bisher vergrabene Episode ausgebuddelt und wirft nun einen kritischen Blick auf die dänische Historie. Etwa zweitausend deutsche Kriegsgefangene, darunter viele Jugendliche, wurden damals zum Entschärfen jener Minen eingeteilt, welche die Wehrmacht wegen der Invasionsgefahr gegen Ende des Krieges vergraben hatte. Nur knapp die Hälfte dieser Gefangenen hat überlebt. Nein, die Verbrechen des Naziregimes werden hier nicht relativiert, sie sind zwar nicht direkt Thema, aber doch immer da als dunkler Hintergrund. Die Bäuerin etwa, neben deren Gehöft die deutschen Jungen eine kleine Hütte bewohnen, bleibt lange unversöhnlich, sie hat wahrscheinlich ihren Mann verloren, sie triumphiert deshalb, als die hungrigen neuen Nachbarn an ihrem mit Rattengift versetzten Viehfutter fast krepieren. Trotz allem strebt diese Geschichte nach Versöhnung, konkreter gesagt: Sie arbeitet daran, dass die Haltung des Feldwebels Rasmussen ("Ihr seid mir alle scheißegal!") aufweicht, dass er seine Truppe irgendwann nicht mehr für seine Rachegelüste missbraucht, sondern als traumatisierte Opfer sieht, die seinen Schutz brauchen.
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fms
am 06.04.2016