Lange hat sich kaum jemand für die Verfolgung der Linken in der Stalin-Ära interessiert. Im Osten hat man sie auch nach Stalin teilweise gerechtfertigt und eine historische Aufarbeitung verweigert. Im Westen herrschte das Schwarz-Weiß-Denken des Kalten Krieges. Und wenn Bergmann mit Mitgliedern der Deutschen Kommunistischen Partei über die Verbrechen des Josef Wissarionowitsch Stalin sprechen wollte, wurde er meist als Renegat oder Verräter abgetan.
Doch Bergmann lässt nicht locker. Innerhalb der Partei Die Linke gehört er zu denjenigen, die schließlich durchsetzen, dass am Karl-Liebknecht-Haus in Berlin Ende 2013 eine Tafel zur Erinnerung an die Opfer des Stalinismus angebracht wird. Auch die Ausstellung über die Opfer des Stalin-Terrors geht mit auf seine Initiative zurück. Bei der Eröffnung in Stuttgart vor einigen Tagen hielt er das Einführungsreferat.
Hans Modrow, der vorletzte Ministerpräsident der DDR und heutige Vorsitzende des Ältestenrates der Linken, sowie einige andere hatten die Gedenktafel in Berlin abgelehnt. Modrow erklärte, er halte das Liebknecht-Haus, das frühere Hauptquartier der KPD, in dem heute die Parteiführung der Linken untergebracht ist, für den falschen Gedenkort.
Ständig im Kampf für eine bessere Welt
Modrow wollte auch nicht zur Enthüllung der Tafel kommen. Als Hauptredner reiste Theodor Bergmann aus Stuttgart in die Stadt, in der er aufgewachsen ist und seine ersten politischen Erfahrungen gesammelt hat. Bergmann berichtet, dass sich "unter den Opfern des Stalin'schen Terrors" auch Lehrer, Freunde und Mitschüler von ihm befänden. Doch er will nicht Resignation verbreiten. Letzter Satz seiner Ansprache: "Befreit von den Irrtümern unserer großen Bewegung fangen wir mit neuer Kraft von vorn an."
Theodor Bergmann, den seine Freunde Ted nennen, stammt aus einer liberalen Berliner Rabbinerfamilie. Beim Gespräch ist er hellwach, klagt nur darüber, dass die Sehkraft nachlasse. "Ich bin ein marxistischer Optimist", sagt er, als sei das ganz selbstverständlich. Und gerne beruft er sich auch auf Rosa Luxemburg. Man spürt noch immer ein Sendungsbewusstsein. Seinen Glauben an den Kommunismus hat der emeritierte Professor der Agrarwissenschaft, der bis 1981 an der Universität Stuttgart-Hohenheim gelehrt hat, jedenfalls nicht verloren.
Bergmann hat schon als Schüler den Kampf für eine bessere Welt begonnen. Weder er noch seine fünf Brüder wollten Rabbiner werden, keiner der Religiosität des Vaters folgen. Heute bezeichnet sich der knapp 99-Jährige als "nicht jüdischen Juden".
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Waldemar Grytz
am 04.03.2015