Und nicht zuletzt sind Staudacher und Högerle unermüdlich dabei, Bücher und Broschüren über das frühere jüdische Leben der Gemeinde zu veröffentlichen. Dass beide in diesem Bereich berufliche Erfahrungen hatten, vereinfachte die Sache, und mittlerweile haben sie ihren eigenen kleinen Verlag.
Besonders stolz sind beide darauf, 2005 die Lebenserinnerungen der 1922 in Stuttgart geborenen Hannelore Marx herausgebracht zu haben, diese seien "eine der wichtigsten Zeitzeugen-Schilderungen von jüdischen Überlebenden aus der Nazi-Zeit", findet Högerle. Marx, die erst vor wenigen Wochen mit 94 Jahren in New York gestorben ist (<link http: www.stolpersteine-stuttgart.de external-link-new-window>ein Nachruf hier) lernte nach Kriegsende ihren späteren Mann Victor kennen, der Rexinger Vorfahren hatte. Gemeinsam emigrierten sie nach New York, wo sie in einem Wohltätigkeitsverein ehemals Rexinger Juden, der "Rexinger Benevolent Association", aktiv wurden.
Diese schwäbischstämmige Community gibt es in New York immer noch, mehrmals schon waren Staudacher und Högerle dort zu Besuch. Zuletzt 2015, als eine Freundin von Hannelore Marx 100 Jahre alt wurde. "Da ist man in New York, in der Synagoge, und dauernd fällt der Name 'Rexingen'!", erinnert sich Högerle lachend.
Familienzusammenführungen durch die Vereins-Datenbank
Die vielen Kontakte und Recherchen sind über die Jahre auch in eine Datenbank eingeflossen, die mittlerweile mehrere tausend Namen umfasst, von jüdischen Familien aus Rexingen und Umgebung, aber auch weiter entfernten württembergischen Gemeinden. Die Datenbank werde sehr viel nachgefragt, erzählt das Paar, und ermögliche, immer wieder Familienzusammenführungen – über sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust.
"Manchmal kommen Anfragen, da denke ich mir: Da hat doch schon mal jemand aus der Familie nachgefragt! Und dann gucke ich nach und schreibe: Sie haben übrigens eine Verwandte in Israel, haben Sie zu der Kontakt? Und dann kommt als Antwort: 'Was? Ich habe eine Verwandte in Israel?' Und dann mailen die sich, es ist eine Riesenfreude, das kommt wirklich oft vor", erzählt Staudacher begeistert. Demnächst komme jemand aus Argentinien mit Rexinger Vorfahren, dem habe sie Verwandte aus Israel vermittelt, und nun würden sie sich in Stuttgart treffen.
Solche Erlebnisse seien das Schönste, sagt Högerle. "Wenn man merkt: Was du da machst, ist nicht nur Vergangenheitsarbeit, sondern das hat ganz aktuell mit dem Leben der Leute zu tun."
Die Leidenschaft, mit der Staudacher und Högerle von ihrer Arbeit erzählen, steckt an. Seit Jahren machen sie zu zweit die Vereinsarbeit in Vollzeit – "wir machen fast nichts anderes, wir sind ja Rentner", sagt Staudacher. Und auch wenn sie seit kurzem einen jungen Historiker in einer Minijob-Stelle zur Seite haben, sowie eine Mitarbeiterin für die Datenbank, glauben beide nicht, dass sich alle Aktivitäten in vollem Umfang weiterführen lassen werden. Denn ohne Ehrenamtliche wird Gedenkstättenarbeit auch in Zukunft nicht gehen, "und Leute in unserem Alter haben Enkel, Urenkel, müssen Familienarbeit leisten. Das müssen wir nicht", sagt Staudacher. "Ich habe zwar eine Tochter, aber die ist zum Glück genauso familiendistanziert eingestellt wie ich."
Doch bevor sich Staudacher und Högerle in den Ruhestand verabschieden, wollen sie noch ein paar Ziele im Verein verwirklichen: Zum einen eine Dauerausstellung im Betsaal einzurichten, das sei ganz wichtig. Zum anderen die Rexinger Synagoge zu renovieren, eine Bibliothek und einen Teil der Shavei-Zion-Ausstellung dort unterzubringen. Die Mittel dafür sind schon genehmigt. Und ganz allgemein: "Wir versuchen auch andere Gedenkstättenvereine zu ermutigen, einen Weg wie wir zu gehen: Modernisierung, eine Homepage, eine Datenbank aufbauen", so Högerle. Damit die Vermittlung der Vergangenheit Anknüpfungspunkte an die Gegenwart bekommt.
Info:
Die Ausstellung <link http: www.ehemalige-synagoge-rexingen.de aktuelles alle-rubriken die-nachbarn-2017 external-link-new-window>"Die Nachbarn werden weggebracht" ist noch bis zum 2. April 2017 samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet, für Gruppen nach Anmeldung auch zu anderen Terminen. Der Eintritt ist frei (Museum Jüdischer Betsaal Horb, Fürstabt-Gerbert-Straße 2, Horb am Neckar).
16 Kommentare verfügbar
Monika Reckert
am 26.03.2017