Den Friedhof von Gurs übergab der französische Staat damals für 99 Jahre dem Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden. 120 000 Euro im Jahr investiert nun das Land Baden-Württemberg in den Erhalt der Gräber und die Erinnerung an die nach Gurs deportierten Juden aus Baden, wie das Kultusministerium auf Anfrage mitteilt.
Aber nicht nur in Gurs selbst fördert das Land das Gedenken an die Deportation, sondern auch an zahlreichen Orten im badischen Landesteil. So zeigt in Freiburg, auf Anregung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, seit 2000 ein Wegweiser am Platz der Alten Synagoge die Entfernung nach Gurs an. Und seit 2003 erinnert ein "vergessener Mantel" aus Bronze, der wie zufällig hingeworfen auf der Brüstung der Wiwilí-Brücke über die Gleisanlagen des Freiburger Hauptbahnhofs liegt, an die deportierten Juden.
In Neckarzimmern startete 2005 ein <link http: www.mahnmal-neckarzimmern.de external-link-new-window>Jugendprojekt der Evangelischen Landeskirche, das sämtliche Orte in Baden miteinander verbindet, aus denen Juden nach Gurs deportiert wurden. Jugendgruppen und Schulklassen waren aufgefordert, sich mit der Geschichte der Deportation in ihrer Gemeinde zu beschäftigen und je zwei Gedenksteine zu gestalten: einen für ihren Ort; den zweiten, um ihn auf einem großen Davidstern in Neckarzimmern aufzustellen. Im Moment fehlen nur noch wenige der 137 Gemeinden. Einen 138. Stein hat der Freundeskreis beigesteuert, der die Gedenkstätte in Gurs betreut. Die Franzosen waren sofort begeistert, als sie von der Initiative hörten. Thelen stellt fest: "Die Geschichte des deutschen Südwestens ist mit der Geschichte von Gurs unauflöslich verbunden."
Mehr als 60 <link http: www.gedenkstaetten-bw.de external-link-new-window>Gedenkstätten gibt es in Baden-Württemberg. Sie erinnern, oft in ehemaligen Synagogen, an die jüdische Geschichte des Landes, an einzelne Persönlichkeiten wie Matthias Erzberger, Georg Elser oder an die Stauffenberg-Brüder, an die Verfolgung und Vernichtung sogenannten lebensunwerten Lebens (Grafeneck) oder von Sinti und Roma (Heidelberg). "Die meisten dieser Gedenkstätten wurden auf Initiative von aktiven Bürgerinnen und Bürgern errichtet", betont Sibylle Thelen, "die vor Ort begonnen hatten, die NS-Geschichte zu erforschen oder auch Kontakt mit Überlebenden aufzunehmen."
Bürger erforschen NS-Geschichte vor Ort
"1996, als das Land mit der Förderung begann, gab es keine zwanzig Gedenkstätten im Land", so Thelen weiter. "Seither sind viele hinzugekommen, und dieser Prozess ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Eben erst hat sich in Spaichingen der Verein Initiative KZ-Gedenken in Spaichingen e.V. gegründet. Dieser Verein und die übrigen elf Gedenkstätten an Außenlagerstandorten von Natzweiler haben sich Ende 2016 zum einem Gedenkstättenverbund zusammengeschlossen."
"Das KZ Natzweiler-Struthof, das dort als einziges KZ auf französischen Boden von 1941 bis 1944 bestand, hatte mehr als fünfzig Außenlager", erklärt sie, "viele davon auf dem Gebiet des heutigen Baden-Württemberg." Derzeit bewerben sich die Gedenkstätte im Elsass und die zwölf Initiativen an den ehemaligen Außenstellen von Natzweiler als erstes transnationales Netzwerk der Erinnerungskultur um das Europäische Kulturerbe Siegel.
821 900 Euro hat das Land 2016 bereitgestellt, um die Gedenkstättenarbeit zu unterstützen. Dazu kommen weitere Posten, die anders verrechnet werden, wie das Hotel Silber in Stuttgart oder die Unterstützung von Fahrten nach Auschwitz. Die lpb verteilt diese Mittel, vier von sechs Mitarbeitern bearbeiten Anträge und Verwendungsnachweise und unterstützen die Initiativen mit Lehrerfortbildungen, Fachtagungen für Multiplikatoren, Publikationen und Beratung. "Es geht um nachholende Professionalisierung", erklärt Thelen, "angesichts der steigenden Erwartungen an Gedenkstätten als außerschulische Lernorte oder auch angesichts des bevorstehenden Generationswechsels an den Gedenkstätten."
"Heute besuchen etwa 310 000 Menschen jährlich die Gedenkstätten und Erinnerungsstätten im Land", fasst Thelen zusammen. "Knapp zwei Drittel davon sind Jugendliche." Diese jungen Menschen haben "keinen eigenen lebensweltlichen Bezug mehr zu dieser Zeit, das gilt für junge Leute mit und ohne Migrationsgeschichte gleichermaßen." Aber die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte ist wichtig, mit oder ohne persönlichen Bezug. Es geht um Themen wie Ausgrenzung und Gewalt, oder wie Muhterem Aras in der Gedenkfeier gesagt hat, um die grundsätzliche Frage: In welcher Welt wollen wir leben?
4 Kommentare verfügbar
Des Illusionierter
am 19.02.2020