Die im Stich gelassenen, darunter mindestens 400 Arbeiter und Angestellte von Porsche in Stuttgart, sowie zahlreiche Handwerker und Lieferanten waren nun darauf angewiesen, ihre Forderungen bei der US-Militärregierungen einzutreiben – also beim deutschen Steuerzahler. Viele dieser Gläubiger in Stuttgart nagten am Hungertuch. Die US-Besatzer ließen nur vier Festangestellte im Stammwerk samt Treuhänder Ing. Fröhlich als technischen Direktor arbeiten. Dieser strebte an, "die Fabrik zu gesunden". Er bat die US-Militärs als oberste Aufsichtsbehörde darum, "die großen Beträge zu untersuchen, die vor der Okkupation nach Österreich / Gmünd gingen …" Das Studium der Akten vermittelt kein klares Bild. Die angeblich in der Porsche-Gruppe versickerten Summen sollen umgerechnet zwischen 15 und 50 Millionen Euro betragen haben. Auch behauptete Treuhänder Fröhlich, dass in einer Baracke auf dem Landsitz der Familien in Zell am See, "Inventar" samt allen Originalzeichnungen (Entwürfe) aus dem Zuffenhäuser Konstruktionsbüro liegen würden.
Eine fällige Untersuchung zu diesen Punkten sei freilich "nur möglich mit der Hilfe und Macht der Militärregierung", folgert und bittet Fröhlich. Er schreibt an den Porsche-Ableger in Gmünd ("Empfänger Karl Rabe"), die Verwalter wollen "Ordnung ins hiesige Unternehmen" (Zuffenhausen) bringen, wofür die Rekonstruktion der Forderungen und Verbindlichkeiten nötig sei. Wieder geht es um die Hauptbuchhaltung. Ebenso um Bilanzen von 1943 bis April 1945 sowie um Verträge etwa mit dem VW-Werk (Forderungen, Lizenzen) und mit dem früheren Reich samt Behörden (Darlehen, Anzahlungen, Forderungen). Selbst hiesige US-Militärstellen ersuchen nun Porsche-Österreich und die dortigen Besatzungsstellen (Briten, Amerikaner) dringend um Hilfe und einen Beamten aus Stuttgart bei seiner Aufklärungstätigkeit kräftig zu unterstützen. Freilich, auch dieser Vorstoß, Licht ins Dunkel zu den Vorgängen um die Ausgründung und Verlagerung der Fabrik sowie die Übersiedlung der Porsche-Piëchs nach Österreich zu bekommen, scheiterte kläglich.
"Kriegsgewinnler übelster Sorte"
Bluteten die hohen Überweisungen das Werk in Zuffenhausen aus, weil sie im laufenden Betrieb fehlten? Waren die Transaktionen gar ein Akt der Untreue am Unternehmen (Diebstahl)? Gehören die Rechte an den Konstruktionen sowie VW-Teile allein der Familie (Exklusivrechte) oder ebenso dem Großkunden VW und somit indirekt den 1933 enteigneten Gewerkschaftsmitgliedern?
Zu diesen Fragen tauchen zwar in den Akten immer wieder kritische Anmerkungen zum Verhältnis Porsche-Stuttgart und Porsche-Gmünd auf sowie zu Volkswagen, aber plausible Antworten zu den heiklen Themen bleibt die Chronik schuldig. Einmal, weil die Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Besatzungszonen extrem eingeschränkt waren. Damals lagen zwischen den diversen Besatzungszonen Welten. Zweitens herrschte vielfach Chaos. Einige Rechercheure hielten es indes durchaus für möglich, dass die ersten Sportwagen Porsches verbotenerweise mit gestohlenem Geld (aus Berlin) und Teilen aus dem Eigentum von VW gebaut wurden.
"Prof. Porsche entnahm für sich privat 1942 allein RM 492 370,63", an anderer Stelle heißt es RM 319 015,89. Diese handschriftliche Notiz trägt ein offizielles Übergabeprotokoll vom 8.7.1947, adressiert an die US-Militärbehörde Property Control, Stuttgart. Dazu lautet ein Kommentar: "Kriegsgewinnler übelster Sorte!" Unterschrift: Pabst, 20.4.1948. Gemeint ist damit wohl Ferdinand Porsche senior. Weiter bezeichnet der Kritiker die Angaben des zweiten Porsche-Treuhänders Karl Kirn in dessen Reports vom 30.5. und 8.7.1947 an die Property Control teilweise als Lüge und als "verlogen durch und durch".
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Rolf Steiner
am 29.05.2018