Wenn man sich vorstellt, dass hier ein Mann gesessen hat, der in die original gefälschten Hitler-Tagebücher schauen und die handschriftlichen Gedichte des Führers lesen durfte, dann weht der Geist der Zeitgeschichte durch das Zimmer 8.035. Hier im Kollegiengebäude K II hat Eberhard Jäckel gearbeitet, der ein reputierlicher Historiker war, bis ihm die Kujauschen Tagebücher unterkamen, die er anfangs für echt gehalten hat. Das war sehr schmerzhaft, weil die Geschichte des Nationalsozialismus doch nicht umgeschrieben werden musste, und alle Welt gelacht hat (aktuell tut sie das bei der Landesbühne Esslingen, auf der gerade <link https: www.nachtkritik.de external-link-new-window>das "Stern"-Stück "Schtonk" mit Wieland Backes gegeben wird).
Seit fast 20 Jahren sitzt Wolfram Pyta in diesem Büro. Er hat es von seinem Vorgänger Jäckel übernommen und nie verändert. Äußerlichkeiten, beteuert der Professor, seien ihm nicht wichtig. Seinen Tee trinkt er aus einer Mercedes-Benz-Museum-Tasse. Auch Pyta ist NS-Experte. Im Regal stehen, prominent platziert, seine herausragenden Bücher: Hindenburg. Hitler. Porsche. Daneben ist er noch Direktor der Forschungsstelle Ludwigsburg zur NS-Verbrechensgeschichte, Koordinator für das Landesprojekt Geschichte der Landesministerien in Baden und Württemberg in der NS-Zeit, Freundeskreis-Vorsitzender des Stuttgarter Hauses der Geschichte, das als Ehrenvorsitzenden Erwin Teufel (CDU) und das "Hotel Silber" als Problem hat. Und er ist Mitglied beim Fußballverein Fortuna Düsseldorf, was ihn auch schon dazu verführt hat, Bücher über die Bedeutung der Kicker zu schreiben.
Die Hitler-Tagebücher wären Pyta nicht passiert
Zuhörer überrascht er schon mal mit der Aussage, "nirgendwo sonst" werde die Nazizeit so gut aufgearbeitet wie in Baden-Württemberg, womit er zunächst an sich und die internationalen Maßstäbe denkt, die seinem Anspruch zugrunde liegen. Klar, dass ihm die Sache mit den Tagebüchern nicht passiert wäre. "Hitler war ein Redner, kein Schreiber", erläutert der 57-Jährige, das Studium der Quellen erfordere einen kritischen Geist und kühlen Kopf.
Genau den Zweifel nährt er nun selbst – mit seinem jüngsten Buch "Porsche. Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke". Darin schildert Pyta das "Arrangement mit den Nazis" und die Kriegsproduktion von Ferdinand Porsche (1875 – 1951), dem Gründer der Sportwagenfirma, den er als "politischen Konjunkturritter" bilanziert. Das ist harmlos formuliert, wenn man die Arbeit von Ulrich Viehöver als Vergleich heranzieht, der die Legende vom unpolitischen Techniker bereits 2009 entlarvt hat, ohne bei Pyta Erwähnung zu finden. In dem Buch "Stuttgarter NS-Täter", herausgegeben von <link http: stuttgarter-ns-taeter.de _blank external-link-new-window>Hermann G. Abmayr, nennt er Ferdinand Porsche "Hitlers Lieblingskonstrukteur" und "Kriegsgewinnler". Einer, der bis heute Straßen, Plätzen und Schulen unbehelligt seinen Namen gibt. Autor Viehöver hatte damals als erster nachgewiesen, dass die Nähe von Porsche zu den Nazis viel enger war, als bis dahin zugegeben. Das hat die schwäbischen Autobauer schwer in Erklärungsnöte gebracht, mit starken Niederschlägen <link http: www.spiegel.de spiegel print d-67036844.html external-link-new-window>im "Spiegel" bis <link https: www.haaretz.com israel-news culture external-link-new-window>zur israelischen Zeitung "Haaretz". Noch im selben Jahr, versprach Porsche, werde ein externer Forschungsauftrag vergeben. Aber dann dauerte es doch fünf Jahre, bis in Pyta ein passender Professor gefunden war, der die Unternehmensgeschichte für die Jahre 1931 bis 1951 quasi neu zu schreiben in der Lage war.
Porsche verspricht völlige Freiheit für die Wissenschaft
Dem beauftragten Ordinarius, der das Wort Auftragsforschung nicht mag, mangelte es an nichts. Zwei für drei Jahre bezahlte Mitarbeiter (Jutta Braun und Nils Havemann), freier Zugang zu den Firmenarchiven, ein Budget über rund 300 000 Euro und die Versicherung des Auftraggebers, keinerlei Einfluss auf den "Prozess der Erkenntnisgewinnung" zu nehmen. Daran habe man sich gehalten, bekräftigt auch Achim Stejskal ("völlige Freiheit"), der Leiter des Porsche-Museums, der für die Kooperation zuständig war. Will sagen: Wenn etwas fehlt oder falsch ist, kann es nicht an Porsche gelegen haben. <link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft der-geliebte-nazi-tueftler-4909.html internal-link-new-window>Was fehlt, schreibt Viehöver im nebenstehenden Kontext-Artikel.
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Angela Montgomery
am 16.02.2018