Im Dritten Reich galt die Firma Daimler-Benz nicht nur als "nationalsozialistischer Musterbetrieb", sie war vor allem ein kriegswichtiges Unternehmen wegen ihrer Rüstungsproduktion. Diese hielten ab 1942 Tausende Zwangsarbeiter aus den besetzten Gebieten aufrecht. 1944 sollen es über 46 000 gewesen sein, mehr als die Hälfte aller Angestellten des Unternehmens. Bis Daimler anfing, an sie zu erinnern, vergingen mehr als 40 Jahre.
Über die NS-Vergangenheit der Firma wusste Bettina Stadtmüller, als sie 2003 bei der Daimler AG als Mitarbeiterin im Media- und Datamanagement begann, nicht viel. Bis sie 2013 im Intranet des Unternehmens einen Artikel darüber las, wie die eigene Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus aufgearbeitet worden sei, illustriert mit einem Foto des Mahnmals zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter bei Daimler – vor dem früheren Mercedes-Benz-Museum, das schon 2007 abgerissen wurde. Und wo das Mahnmal schon lange nicht mehr stand. "Ich habe mich zunächst einfach gefragt: Wo ist das Ding eigentlich abgeblieben?", erzählt Stadtmüller. So begann ihre Suche.
Der Einweihung des Mahnmals 1989 waren einige Jahre vorausgegangen, in denen das Unternehmen wegen seines Umgangs mit der braunen Vergangenheit schwer unter Druck geraten war. Denn in den Publikationen zur 100-jährigen Jubiläumsfeier der Firma im Jahr 1986 kam dieser Teil der Geschichte kaum vor. Und schon 1983 war der Historiker Ulrich Herbert, der über Zwangsarbeit bei der Firma forschen wollte, abgewiesen worden – es gebe in den Archiven dazu keine Dokumente, hieß es.
Dass sich das Unternehmen irgendwann doch zu einem anderen Umgang mit seiner Geschichte entschloss, lag am zunehmenden öffentlichen Druck, unter anderem durch mehrere kritische Artikel im "Spiegel", und nicht zuletzt auch am ab 1987 neuen Vorstandsvorsitzenden Edzard Reuter, der 1935 als Siebenjähriger mit seiner Familie <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft schier-das-herz-zerrissen-3797.html internal-link-new-window>vor den Nazis in die Türkei geflohen war. Die Firma öffnete ihre Archive und gab die Studie "Zwangsarbeit bei Daimler-Benz" in Auftrag, die bei ihrem Erscheinen 1994 vom einst abgewiesenen Ulrich Herbert als die bislang "umfangreichste und genaueste Darstellung" des Themas bei einem deutschen Unternehmen gelobt wurde. Außerdem überwies der Konzern 1988 einen Betrag von 20 Millionen DM an die Conference on Jewish Material Claims Against Germany, das Deutsche Rote Kreuz und das Maximilian-Kolbe-Werk. Zur Entschädigung von Zwangsarbeitern folgte zwölf Jahre später zudem die Beteiligung an der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft.
4 Kommentare verfügbar
Andrea
am 04.03.2017