Héctor Rattos Gesundheit ist ruiniert, dennoch hat der ehemalige Arbeiter im Werk von Mercedes-Benz Argentina (MBA) in González Catán, nördlich von Buenos Aires, im Vergleich zu vielen seiner Kollegen noch Glück gehabt. Am 12. August 1977 wollen ihn Polizisten am Werkstor verhaften, erwischen zunächst einen Falschen. Später wollen sie Ratto am Arbeitsplatz festnehmen, doch Werksleiter Juan Tasselkraut zitiert ihn stattdessen in sein Büro. Dort wartet Ratto darauf, vom Militär abgeführt zu werden, davor wird er noch Zeuge, wie Tasselkraut zwei Zivilpolizisten die Adresse seines Betriebsratskollegen Diego Núñez mitteilt. Wenige Stunden später wird Núñez verhaftet, er bleibt bis heute verschwunden.
Ratto wird in die berüchtigte Folterkaserne Campo de Mayo gebracht und mit Elektroschocks misshandelt. Einmal wird er mit einer Gruppe Mitgefangener auf den Kasernenhof zitiert. Die anderen steigen in einen Laster, als Ratto aufgerufen wird, hält ihn ein Aufseher zurück, warum, weiß er nicht. Später erfährt er, dass die Gefangenen aus einem Flugzeug ins Meer geworfen wurden – eine gängige Praxis, so kann man die Leichen nie finden. Und daher ist bis heute meist von bis zu 30 000 Ermordeten und Verschwundenen die Rede, wenn es um die Opfer der argentinischen Militärdiktatur (1976–1983) geht. Dass die Verschwundenen alle ermordet wurden, gilt mittlerweile auch vor den Gerichten des südamerikanischen Staates als klar.
Im März 1979 wird Ratto entlassen, ohne Begründung, wie seine gesamte Haft nie begründet wurde. Sein Vergehen bestand möglicherweise darin, dass er Mitglied eines unabhängigen, für die Werksleitung unbequemen Betriebsrats war. Dieser gründete sich 1975 während eines Streiks gegen Entlassungen, nachdem sich die offizielle Automobilarbeitergewerkschaft SMATA als korrupte und willfährige Handlangerin von Unternehmen und Arbeitsministerium erwiesen hatte.
Eine deutsche Journalistin enthüllt die Verstrickungen
Rund zwei Jahre nach dem Militärputsch von General Jorge Videla am 24. März 1976 ist der Betriebsrat ausgeschaltet. 17 Mercedes-Mitarbeiter werden entführt, 14 sind bis heute verschwunden. Von ihnen hört die deutsche Öffentlichkeit erstmals am 31. August 1999, als das Radio-Feature "Die Verschwundenen von Mercedes-Benz" der aus Stuttgart stammenden, auf Lateinamerika spezialisierten Journalistin Gaby Weber im WDR läuft.
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Mabra
am 22.03.2016