Seit dem Ende des Kommunismus im Ostblock 1989 sehen viele den Beweis erbracht: Zum Kapitalismus gibt es keine Alternative. Allerdings sprechen sie lieber von Marktwirtschaft, das klingt nicht so marxistisch. Dabei hat Karl Marx in einem Recht behalten: Mit zunehmender Dauer der kapitalistischen Wirtschaftsform konzentriert sich immer mehr Kapital in sehr wenigen Händen. Acht Menschen besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, 36 Familien in Deutschland so viel wie die weniger wohlhabende Hälfte des Landes.
Anscheinend funktioniert auch der Kapitalismus nicht, oder nur mit enormen negativen Folgen wie einer zunehmenden Verarmung großer Teile der Weltbevölkerung, existenzvernichtenden Krisensituationen und gravierenden Umweltproblemen. Aber gibt es wirklich nur die zwei Modelle: Diktatur des Proletariats versus Diktatur der Märkte? Ist Kapitalismus und Marktwirtschaft dasselbe? Oder könnte es auch eine marktbasierte Wirtschaft geben, die nicht auf einer Akkumulation schwindelerregender Kapitalmengen, sondern auf wechselseitigem Interesse beruht?
So gestellt lässt sich die Frage leicht beantworten, denn eine solche Marktwirtschaft gab es bereits. Sie hat jahrhundertelang bestens funktioniert. Mittelalterliche Reichsstädte bieten geradezu ein Modellbild der Marktwirtschaft. Aber den Möglichkeiten, sich auf Kosten der Anderen zu bereichern, waren lange Zeit enge Grenzen gesetzt.
Am Anfang steht das Handwerk
Wer das Gebiet der Esslinger Altstadt durch den ältesten Torturm, das Wolfstor, betritt, gelangt zunächst in die Küferstraße. Schnurgerade und breit, entspricht sie so gar nicht dem Bild einer mittelalterlichen Gasse. Sie war ein Abschnitt der Fernstraße von Ulm nach Speyer und führte bis zu den Neckarbrücken durch Esslinger Stadtgebiet, auf ihrer ganzen Länge ein Markt. Am Wolfstor beschlugen Schmiede die Pferde der Reisenden. Ihnen folgten die Küfer, denen sie für ihre Fässer die Reifen lieferten, und die wiederum holten Holz eine Ecke weiter am Holzmarkt, dem heutigen Blarerplatz. Daran schloss sich der Hafenmarkt an, für die Töpferwaren. Das Alte Rathaus war Markthalle. Hier boten Bäcker und Metzger ihre Ware an. Unten am Rossneckar befand sich der Viehmarkt.
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Dietrich Heißenbüttel
am 06.05.2017