Statt mit den Sozialdemokraten regieren die Grünen nun seit mehr als hundert Tagen mit der CDU. Mit ihr wollen die Grünen ihre Politik der Austerität, die restriktive Haushalts- und Finanzpolitik der Vergangenheit, fortsetzen. Die Selbstbeschreibung der Grünen und der CDU in ihrem Koalitionsvertrag als Abbild der "bürgerlichen Gesellschaft in ihrer ganzen Breite" ist insofern zutreffend. In der Durchsetzung der Austerität zulasten der abhängig Beschäftigten, Sozialtransferempfänger und des öffentlichen Sektors besteht der ideologische Kitt des neuen grün-schwarzen Bürgerblocks.
Grün-Schwarz stellt sich selbst ausdrücklich in die Tradition des Neoliberalismus, indem es sich mit "Demografie" und "Nachhaltigkeit" zwei seiner wichtigen Begründungszusammenhänge zu eigen macht und erklärt, "weder in finanzieller noch ökologischer Hinsicht auf Kosten unserer Kinder leben zu wollen". Folgerichtig hat Grün-Schwarz erklärt, in den nächsten vier Jahren 1,8 Milliarden Euro einzusparen. Um ganz sicher zu gehen, soll die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert werden, was – aller grünen Beteiligungsrhetorik zum Trotz – der Selbstentmachtung des gerade demokratisch gewählten Landtags entspricht.
Armut hat Auswirkungen auf demokratische Beteiligungskultur
Das grün-schwarze Leitbild ist ein Schrumpfstaat mit ausgeglichenem Haushalt, der Unternehmer und Vermögende in Ruhe lässt, gleichzeitig aber Innovationen anstoßen soll. Und in dem ansonsten munter über Bürgerbeteiligung, Nachhaltigkeit, sozialen Zusammenhalt und Zivilgesellschaft schwadroniert wird. In seiner Tutzinger Rede "Sinn der Bürgergesellschaft" einige Monate vor der Landtagswahl nannte der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann "gewisse Tendenzen, die dem bürgerschaftlichen Engagement entgegenwirken" würden: "Fortschreitende Individualisierung", "zunehmende Komplexität" und "ein Übermaß an Konsum". Nicht soziale Ungleichheit, Armut und immer prekärere Arbeit identifizierte er als Hauptgefahren für mehr Beteiligung und Demokratie. Dabei haben ausweislich des baden-württembergischen Armuts- und Reichtumsberichts Armut und prekäre Arbeit in den letzten Jahren zugenommen.
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Hendrik Lüdke
am 04.09.2016