Zum Beispiel bei den Personalzahlen. Je nachdem, welche Zählweise man zugrunde legt, könne man hier die Zahl der Pfleger zum Stichtag nach oben korrigieren, erklärt er. Ein Verwaltungstrick, der das Betreuungsverhältnis von Pfleger und Patient in der "Weißen Liste" besser aussehen lässt, als es eigentlich ist.
Ähnliches gilt für die umstrittenen Chefarztverträge. Laut einer aktuellen Studie des Medizincontrolling-Verbands hatten drei Viertel der Kliniken ihren Chefärzten Boni zugesagt, wenn sie eine bestimmte Zahl an Operationen, an schweren Fällen oder schlicht mehr Umsatz erreichen. Laut Gesetz müssen die Krankenhäuser angeben, wenn sie Verträge über einzelne Eingriffe abschließen – doch in ihre Qualitätsberichte schreiben sie das nur selten. Es kontrolliert keiner.
4. Die Berichte sind bereits veraltet, wenn sie veröffentlicht werden.
Das Gesundheitszentrum Rheine hat als letzten Bericht den aus dem Jahr 2010 auf seiner Website veröffentlicht. Die Berliner Charité hinkt mit dem Bericht aus 2012 hinterher. Das Klinikum Karlsburg veröffentlicht die Berichte erst gar nicht.
Angenommen, eine Patientin entdeckt den für sie entscheidenden Indikator, versteht und interpretiert ihn richtig, ist die Angabe dennoch hoffnungslos veraltet. Anfang 2016 wurden die Qualitätsberichte aus dem Jahr 2014 veröffentlicht, bislang als Rohmaterial auf CD. Die Qualitätsmessung liegt mehr als ein Jahr zurück. Der schlechte Operateur kann längst durch eine Koryphäe auf dem Fachgebiet ersetzt worden sein – und umgekehrt.
5. Nicht einmal die Klinikleitungen nehmen die Berichte ernst.
Die Krankenhäuser wissen, wie zahnlos die Qualitätsberichte sind – und ignorieren sie häufig einfach. Spricht man etwa Klinikdirektor Motz auf die Diskrepanz zwischen seiner Auszeichnung als TAVI-Zentrum und den in den Qualitätsberichten festgestellten Mängeln an, verschränkt er die Arme. "Diese ganze Fragebogen-Ausfüllerei hat nichts mit der Qualität des Eingriffs zu tun", sagt er. "Das viele Pipapo ist einfach nur Getue." Die Bewertung im Qualitätsbericht stamme ja von Ärzten, die gar nicht am Patienten arbeiteten – und die folglich gar nicht beurteilen könnten, wie hochwertig der Eingriff sei.
Wirklich? Das Urteil über die Qualität in seinem TAVI-Zentrum haben Armin Welz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, und neun Kollegen getroffen, darunter Chefärzte. Patientenvertreter Trenner gehörte auch dazu. "Wenn eine Gruppe von hochrangigen Spezialisten in dem Fachgebiet Ihnen sagt, dass die Qualität nicht gut ist, dann würde ich deren Urteil mehr glauben als dem Urteil eines einzelnen Arztes, der sagt: 'Aber ich mach doch alles richtig'", sagt Trenner. Und: "Wenn in diesen Kreisen davon geredet wird, dass es Verbesserungspotenzial gibt, ist das schon eine ziemlich vernichtende Kritik."
6. Schlechte Qualität wird nicht sanktioniert.
Insgesamt 553 Krankenhäuser wurden 2014 bei einem oder mehreren Indikatoren schlecht bewertet. Das Uni-Klinikum Heidelberg erhielt sogar in zehn Bereichen schlechte Noten. Negative Konsequenzen müssen die Krankenhäuser trotzdem nicht fürchten – auch wenn sie, wie das Karlsburger Klinikum, schon im Jahr davor auffällig wurden.
Deutschlandweit wurden in über zehn Jahren erst zwei Abteilungen geschlossen, nachdem Qualitätsmängel in den Berichten veröffentlicht worden waren, berichtet Wolf-Dietrich Trenner.
Die einzige Sanktion für Krankenhäuer ist die Veröffentlichung des Mangels im Qualitätsbericht. Doch den verstehen, wie gesagt, selbst Experten kaum. Hat ein schlechtes Qualitätssiegel also irgendeine Bedeutung für das Krankenhaus? "Nein, gar nicht", sagt Klinikdirektor Motz. "Das hat keine Konsequenzen."
Folgerichtig werden die Berichte an manchen Standorten schlicht ignoriert. Ein ehemaliger Mitarbeiter des Klinikums Karlsburg, der über TAVI-Eingriffe mitentschieden hat, sagt: "Über die schlechten Ergebnisse in den Qualitätsberichten wurde nie gesprochen."
Warten auf die Bundestagswahl
Warum ist das alles so? Ein Grund: Für Lokalpolitiker und Bundestagsabgeordnete gibt es keinen schnelleren Weg, ihr Mandat zu verlieren, als den Wählern im eigenen Wahlkreis "ihr Krankenhaus wegzunehmen" – sei es noch so unrentabel und schlecht. Nicht zuletzt deshalb haben die Abgeordneten im Bundestag bei der Debatte um das Krankenhausstrukturgesetz im vergangenen Jahr so heftig gerungen. Sollte schlechte Qualität bestraft werden? Und wenn ja, wie?
3 Kommentare verfügbar
Arnold Imort
am 28.07.2016Bei dem Aufnahmegespräch zu einer hyperthermischen Blasenspülung sagte ich der Urologin, dass ich etwas außer Atem sei, weil ich schnell gegangen sei. Sie brach sofort das Gespräch ab, telefonierte mit einem ihrer Oberärzte und…