Es fängt ja schon schwierig an: Was ist Punk eigentlich? Ein Musikstil – roher, dilettantisch gespielter Rock'n'Roll, das Prinzip "drei Akkorde, gründe eine Band"? Eine Art, sich zu kleiden und zu stylen – bunte Stachelhaare, Iro, zerrissene Klamotten, Springerstiefel oder Doc's? Eine Einstellung – scheiß auf Autoritäten und Normen, rebelliere, provoziere, aus politischen oder nihilistischen Motiven, aus Angekotztsein, Langeweile oder Spaß? Die Liste an Definitionsversuchen könnte man noch lange erweitern. Und deshalb, sagt Simon Steiner, sei das das schwerste Kapitel seines Buches über die frühe Stuttgarter Punkgemeinde gewesen: die Attitüden und Identitäten zu beschreiben, die Punk ausmachen. Für ihn selbst ist eine Maxime am wichtigsten: Mach dein eigenes Ding, prägnanter auf Englisch: Do it yourself, DIY. Vielleicht gibt es sein Projekt, das neben Buch plus CD auch ein Vinyl-Doppelalbum und eine Ausstellung umfasst, auch genau deshalb. Potente Geldgeber standen nicht bereit – es läuft immer noch <link https: www.startnext.com stuttgartpunk external-link-new-window>eine Crowdfunding-Kampagne.
Drei Jahre lang hat sich der Historiker, Musiker, ehemalige Lehrer und Seminarschulrat durch die Anfänge der Stuttgarter Punkszene zwischen 1977 und 1983 gewühlt, hat mit 120 Protagonisten von damals gesprochen, Unmengen an Quellen gesichtet, gesammelt, angehört. Fanzines, Schallplatten, Kassetten, Flyer und Fotos stapeln sich im Arbeitszimmer seiner Wohnung im Stuttgarter Heusteigviertel. Sein Projekt ist auf der Zielgeraden, am 15. September sollen Buch und Tonträger, <link http: www.edition-randgruppe.org wie-der-punk-nach-stuttgart-kam external-link-new-window>verlegt von "Edition Randgruppe", im Württembergischen Kunstverein präsentiert werden. Titel: "Wie der Punk nach Stuttgart kam – und wo er hin ging".
Wie kam der Punk nach Stuttgart?
Stuttgarts ersten Punk hat Simon Steiner vor zwei Jahren zu einem Interview erwartet. Als er gerade eine Kiste Sprudel aus dem Auto holen wollte, sei er im Treppenhaus einem Herrn im Anzug mit dicker Ledertasche begegnet. Und schien fast zu erstarren. Bekannte aus dem Haus seien an ihm vorbeigelaufen, hätten gefragt: "Simon, alles klar?", hätten aus Sorge sogar seine Frau angerufen, weil sie dachten, da stehe einer von der Kripo oder vom Verfassungsschutz. Ganz falsch. "Das war Kirchenrat Dan Peter, der hat gerade mit Bischof July telefoniert." Dan Peter war Stuttgarts erster Punk.
Peter ist heute bei der Evangelischen Landeskirche Leiter des Referats "Publizistik und Gemeinde". "Als Jugendlicher hatte er das Glück, 1976 mit seinen Eltern in England Urlaub zu machen", erzählt Steiner. "Und da hat er in London mitgekriegt, was abging, was Punk war." Damals fegte gerade die erste Punk-Welle durchs Königreich, Bands wie die Sex Pistols, The Clash oder The Damned waren gerade erst entstanden. Zurück in Stuttgart gründete Peter mit seinen Kumpels am Fanny-Leicht-Gymnasium Stuttgarts erste Punkband: "The Beauties". Das war irgendwann 1977 – Stuttgart sei in Sachen Punk immer ein, zwei Jahre hinter London und Düsseldorf gewesen, sagt Steiner.
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