Der Verfassungsschutz hatte den Verlag nach Anfrage des Rottenburger Gemeinderats nicht auf dem Schirm. 2011 waren die Schlapphüte noch nicht so umstritten, denn erst im Winter flog der NSU auf. Die morastigen Verstrickungen des Dienstes in die rechtsextreme Ecke der Gesellschaft kamen erst nach und nach ans Licht. Es kamen noch nicht so viele Flüchtlinge ins Land, Medienhass und politischer Verdruss schlummerte noch unter der Oberfläche und Angela Merkel war zwar schon "Mutti", aber noch keine "Volksverräterin".
Rechte und Neonazis gab es auch in Rottenburg, doch die sind vermeintlich eindeutig zu identifizieren. Das Dagegensein ist da einfach. Aber gegen den Kopp? Der tritt immer wieder als Sponsor auf für lokale Veranstaltungen, Vereine, Organisationen, Feste. Der Verlag wirbt in unverdächtigen Magazinen, in Fernsehzeitschriften. Seine Bücher können über normale Buchhandlungen bestellt werden, einige standen auf diversen "Spiegel"-Bestsellerlisten. Die Lokalzeitungen berichten zwar kritisch, aber es las sich damals noch eher nett: Eva Hermann, die abgehobene ehemalige Tagesschau-Sprecherin, moderiert die Kopp-Nachrichten. Ojemine.
Die AfD kommt und gedeiht prächtig
Im September 2011 klagen Wilhelm Hankel, Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Nölling und Joachim Starbatty vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Milliardenkredit für die Griechenland-Hilfe und die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms. Ihr Buch "Das Euro-Abenteuer geht zu Ende" erscheint bei Kopp. Zwei Jahre später gründet sich die AfD als eine irgendwie seltsam rückwärtsgewandte Anti-Euro-Partei, die keiner richtig ernst nimmt. Oliver Welke von der Heute-Show macht sich noch lustig über diesen neuen Verein alter Männer.
Ende 2014 kommt die erste größere Menge Geflüchteter in Deutschland an. Und die AfD nimmt Fahrt auf, vor allem in Sachen Islamkritik und damit, Ängste vor Flüchtlingen zu schüren. Der Kopp-Verlag hatte da mit Ulfkotte bereits einen fruchtbaren Boden bereitet. Und die Saat gedeiht prächtig.
Wer an wem mehr gewachsen ist, ist schwer zu sagen. Am Aufsteigen der Rechtspopulisten, die sich bis heute fast wöchentlich immer radikaler zeigen, hatte der Verlag einen großen Anteil. Die "Wirtschaftswoche" hat das einmal schön formuliert: "Mit dem Aufstieg der Partei und ihrer besorgtbürgerlichen Beiboote entsteht auch Platz für Profite." Der Kopp-Verlag in Rottenburg ist einer der großen Profiteure der Angst, die die AfD in die Gesellschaft gepflanzt hat.
Kurz vor Weihnachten 2014 werden in Rottenburg zwei Frauen aus Gambia von einem Rechtsextremisten verprügelt und getreten. Wenige Tage später demonstrieren 2000 Menschen mit Kerzen und Schildern gegen Rassismus. Oberbürgermeister Stephan Neher schreibt in der Einladung an die Bevölkerung "Fremdenfeindlichkeit hat in unserer Stadt keinen Platz".
2015 berichten die "Rottenburger Post" und der "Schwarzwälder Bote" von mutmaßlichen NSU-Unterstützern und nachweislich szenebekannten, rechtsradikalen Handwerkern, die sich mit Baustellenfotos vom Verlag auf Facebook brüsten. Die SPD-Abgeordnete Rita Haller-Haid aus dem Wahlkreis Tübingen sitzt damals im NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags. Die Diskussion in Rottenburg um den Verlag, der da langsam, aber merklich aus dem Ruder läuft, hat sie im Ohr, als sie eine Kleine Anfrage formuliert: Die Landesregierung möge prüfen, ob der Verlag nicht doch vom Verfassungsschutz beobachtet werden müsste.
2000 Rottenburger demonstrierten gegen Rassismus
Fast zeitgleich erscheint auf der Kopp-Nachrichtenseite ein Artikel, der die Flucht Hunderttausender vor dem Krieg in Syrien als "Migrationswaffe" bezeichnet. Hermann Josef Steur platzt der Kragen. Der ehemals arglose Stadtrat schreibt einen offenen Brief an den Verleger Jochen Kopp und erntet eine höhnische Antwort auf dessen Nachrichtenseite und in der Folge eine Menge Drohmails und Drohanrufe von Lesern und Fans des Verlags.
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Rolf Steiner
am 28.06.2017