Im Flugzeug und auf dem Weg von den USA zur Einweihung seiner Berliner Nationalgalerie erzählt van der Rohe seinem Enkel von seiner Vita, die Ferrer Casas in seinen Panels freilich nicht einfach illustriert, sondern oft korrigiert und zurechtrückt. In Müller-Weiss' "Pavillon" wiederum ist Le Corbusier schon tot, der Comic beschäftigt sich mit dessen letztem vollendeten Bau in Zürich, auch er blendet dabei zurück und unterschiebt der verwickelten Geschichte um Rechts- und Erbstreitereien (ein Comic mit wissenschaftlichem Apparat!) sogar einen Mordfall.
Während der Mies-Porträtist Ferrer Casas sich vor allem in seinen Architektur-Bildern als akribischer Zeichner zeigt, arbeitet Müller-Weiss als wagemutiger Maler, der manche Motive in panelüberspringenden Morphosen weiterführt. Da verwandelt sich die Urinspur eines Hundes schon mal in ein gelbes Band, das zur Einweihung eines Gebäudes zerschnitten wird. Immer wieder tauchen auch symbolhaft Raben auf, weil Le Corbusier diese selber oft skizzierte und zudem gern auf seinen Spitz- und Markennamen Corbu (le corbeau, der Rabe) hörte. Im Comic zu van der Rohe, der sich sein adliges "van" selber zulegte, fliegt auch ein Vogel herum, eine Elster, und sie tut das immer dann, wenn Mies wieder mal am Weiberaufreißen ist. Beide Architektur-Großmeister werden in diesen Comics als Frauenhelden gezeigt und gezeichnet, worüber sich die Autoren allerdings nicht moralisch mokieren. Höchstens darüber, dass sich die beiden – und besonders Mies van der Rohe – Frauen aussuchen, die der Karriere förderlich sind.
Auch Klatsch ist politisch
Nein, diese Comics zeichnen und malen keine nüchtern-kühlen Porträts, sie liefern auch jenen Klatsch und Tratsch zu zwei großen Egomanen nach, vor dem die meisten Architektur-Bücher zurückscheuen. Aber Klatsch und Tratsch sind eben auch politisch, wenn es etwa um Eifersüchteleien in den ersten Bauhausjahren geht, um van der Rohes opportunistische und doch vergebliche Anbiederungsversuche bei den Nazis beispielsweise, oder, als er auch in den USA zum Star geworden ist, seine Affäre mit Edith Farnsworth, für die er eine gläserne Villa in den Wald stellt, die ihr bald zu transparent wird. Wobei er auch die Stelzen des am Fluss stehenden Gebäudes falsch berechnet ("Wer hätte mit so einer Wasserhöhe rechnen können?"), so dass es bald überschwemmt wird.
Bunten Comic-Stoff liefert auch Le Corbusiers Vita: Er lässt es sich zeitweilig in seinem Haus in Roquebrune an der Cote d’Azur gut gehen, schwimmt im Mittelmeer und schmückt die große Nachbarvilla E-1027 der ebenfalls berühmten Designerin Eileen Gray mit Gemälden. Was in einem anderen neuen Comic, dem bisher nur auf Englisch erschienenen Band "Eileen Gray: A House under the Sun" von Charlotte Malterre-Barthes und Zosia Dzierzawska, so gezeigt wird: Corbu schleicht sich, in Abwesenheit der Hausherrin, in deren Villa und malt, nein, nicht die nackten Wände voll, sondern nackt die Wände voll.
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Hans-Jürgen Maes
am 10.10.2019