Computerkolorierung gehört nicht zu Barbara Yelins Lieblingsbeschäftigungen: "Der persönliche Stil ist bei mir viel stärker beim analogen Zeichnen", so die Münchnerin. Man darf sagen: zum Glück. Denn die locker aquarellierten Bleistiftzeichnungen der 1977 geborenen Comicautorin sind von einer herrlichen Dynamik und Lebendigkeit, wie sie sonst nur Skizzen haben. Noch ungewöhnlicher als ihr Stil aber ist die Erscheinungsgeschichte ihrer Bücher: Yelin hat nicht nur geschafft, wovon viele deutsche ZeichnerInnen träumen, nämlich auch im gelobten Comicland Frankreich veröffentlicht zu werden, sondern dies gelang ihr mit "Le visiteur" (2004) und "Le retard" (2006) sogar schon Jahre vor ihrer ersten deutschen Veröffentlichung "Gift" (2010). "Das war einfach großes Glück", sagt Yelin, "ich war mit selbst verlegten Comics bei einer Comicmesse in Berlin, ein französischer Verleger hat die gesehen und mich kontaktiert." Das sei aber im Comicbereich noch eine andere Zeit gewesen, kurz nach der Jahrtausendwende. Mittlerweile würden sich auch deutsche Verlage stärker um den Nachwuchs kümmern.
Im Mai dieses Jahres hat Yelin nun die hierzulande höchste Auszeichnung in ihrem Metier verliehen bekommen: den Max- und-Moritz-Preis als beste deutschsprachige Comickünstlerin. Völlig verdient, denn die Münchnerin hat nicht nur ein bemerkenswertes Talent, lebendige Charaktere zu kreieren und fesselnd zu erzählen, sie scheint auch ein besonderes Händchen für historische Stoffe zu haben. Dies zeigt sich eindrucksvoll in "Gift", worin sie den Fall der Bremer Giftmörderin Gesche Gottfried aus dem frühen 19. Jahrhundert aufgreift, erst recht aber in ihrem 2014 veröffentlichten Meisterwerk <link http: www.reprodukt.com produkt deutscheautoren irmina external-link-new-window>"Irmina", einem fast 300-seitigen Comicroman - oder einer Graphic Novel, je nach begrifflicher Vorliebe.
Der Nachlass der Stuttgarter Großmutter als Inspiration
"Irmina" führt in die Vergangenheit und – teilweise – nach Stuttgart: Lose inspiriert von Tagebüchern und Briefen aus dem Nachlass ihrer Stuttgarter Großmutter, beschreibt Yelin darin, wie eine im Grunde mutige und eigenwillige Frau in der NS-Zeit zur Mitläuferin wird. "Ich wollte aber bewusst keine Biografie machen, sondern einen Roman", betont Yelin, weswegen sie zusätzlich historische Recherchen angestellt und sich mit literarischer Freiheit von der biografischen Vorlage entfernt habe – "die Quellen aus dem Nachlass lieferten dabei Puzzleteile." Herausgekommen ist ein Comicroman, wie er sowohl in seiner erzählerischen Kraft als auch der differenzierten psychologischen Zeichnung seiner Figuren selten ist.
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