Arschtritte verteilen ist nicht mehr Männersache. Auch nicht in der Welt der SuperheldInnen. Während zu Beginn der massenhaften Verbreitung von Unterhaltungsmedien wie Comics, TV, Filmen oder Videospielen Action noch männlich besetzt war, sind "kick-ass women" in der Fantasy-Welt heute keine Raritäten mehr. Bereits in den 1970er-Jahren von emanzipierten Comic-Autoren wie Chris Claremont etabliert, turnen heute weibliche Superfrauen wie Storm, Mystique oder Black Widow selbstverständlich über die Kinoleinwände in X-Men- oder Avengers-Filmen. Sie gehen den Supermännern nicht mehr nur zur Hand und mutieren irgendwann obligatorisch zur Jungfrau in Nöten oder Geliebten. Mittlerweile dürfen Frauen (Super-)Männern sogar das Leben retten und die Menschheit vor Weltuntergängen bewahren. Buffy, die TV-Vampirjägerin, hat es von der Mattscheibe in eine eigene Comicserie geschafft. Wurde wie Xena, die Kriegerprinzessin, Heldin einer fernsehsüchtigen Mädchengeneration der Neunziger. In den letzten 20 Jahren hat sich in der popkulturellen Welt der Supernasen viel getan. Die Zeiten, in denen Mädchen und Frauen keine Identifikationsmöglichkeiten mit starken Frauenbildern hatten, sind vorbei.
Doch, Momentchen mal. Wieso gab's in den vergangenen 20 Jahren eigentlich zahlreiche gefeierte Bat-, Spider-, Iron-, Ant- und andere -Man-Kinoverfilmungen, aber keine Handvoll mit weiblichen Hauptfiguren? Als wäre das nicht schon alarmierend genug, sind die Filme bis auf "Tankgirl" (1995) lächerliche Possen, die weibliche Stereotype reproduzieren und zu Recht verrissen wurden. "Elektra" (2005) wird im entscheidenden Moment von ihren romantischen Gefühlen daran gehindert, Nägel mit Köpfen zu machen. In "Barb Wire" (1996) ist die Hauptrolle mit Pamela Anderson besetzt. "Catwoman" (2004) nutzt ihre Catpower zur Bekämpfung eines Schönheitsprodukts. Darüber hinaus macht der schnurrende Batman-Sidekick nicht viel mehr Eindrucksvolles, als im wurstpellenen Lackoutfit und Fickstiefelchen auf den Dächern der Stadt das Gesäß auszubalancieren. Beim Abspann der beiden Streifen sitzt niemand euphorisiert im Kinosessel und will die Welt retten. Das elektrisierende Gefühl, "so sein zu wollen wie ...", bleibt weitestgehend den Kultcharaktern der männlichen Superhelden vorbehalten. Zwar blitzen die Superfrauen mittlerweile zwischen den Supermännern auf – haben sich von ihrem Helferinnen-Status aber nicht hinreichend emanzipiert.
Emanzipation ist auch in Comics wichtig
"Mein Gott, wieso ist das so wichtig?", könnte jetzt in einer Comic-Denkblase über einem augenrollenden Superadvocatus Diaboli stehen. Ja, die Emanzipation der Geschlechter hängt nicht allein am seidenen Faden einer Spiderwoman. Doch popkulturelle Produkte wie Comics und Filme sind wichtige Indikatoren für den Status quo der Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie sind Katalysatoren des Selbstverständnisses von Mädchen und Jungs. Prägen uns kulturell bis ins Erwachsenenalter und darüber hinaus. Das hat schon der marxistische Philosoph Antonio Gramsci (1891–1937) gecheckt. Der las zwar keine Comics. Doch wenn man erfahren wolle, was die Gesellschaft umtreibt, wenn es um moralische Dos und Don'ts geht, dann sei man mit der Analyse des "Grafen von Monte Christo" besser bedient als mit hochtrabender Intellektuellen-Literatur, so Gramsci. "Der Feuilletonroman ersetzt (und begünstigt zugleich) das Phantasieren des Mannes aus dem Volk, es ist ein richtiggehendes Träumen mit offenen Augen", schreibt der Hegemonie-Theoretiker in einem seiner "Gefängnishefte". An dem, "was dem Volk gefällt", lasse sich ablesen, was es berührt und empört, und es offenbart damit einen gesellschaftlichen Konsens über verschiedenen Alltagspraxen, Moralvorstellungen und öffentliche Meinung ‒ auch über Frauen und Männer.
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