Zudem sollen Ballweg-Fans ihr Geld als "Schenkung" geben, und zwar maximal 19.999 Euro in zehn Jahren. Dieses Procedere ist dem Steuerrecht geschuldet. Denn so muss der Beschenkte aufgrund des Freibetrags keine Schenkungssteuer ans Finanzamt abführen. Offiziell braucht er der Behörde Zuflüsse nur zu melden. Einkommenssteuer fällt bei Schenkungen übrigens auch nicht an. Allerdings können Spender Schenkungen nicht steuermindernd geltend machen. Denn Querdenken-711 ist kein gemeinnütziger Verein. "Wir arbeiten derzeit an der Eintragung der Gemeinnützigkeit und können bis dahin keine Spendenquittungen ausstellen", heißt es auf der Homepage, und das seit Monaten. Die Verzögerung macht Sinn: Solange Querdenken-711 nur eine Bewegung ist, braucht Ballweg keinen Rechenschaftsbericht vorzulegen, mit dem Vereine gesetzlich zumindest ihren Mitgliedern regelmäßig Auskunft über die finanzielle Situation geben müssen. Wie viel Geld seit Beginn der "Querdenker"-Aktivitäten auf seinem Konto gelandet ist, bleibt somit Ballwegs ganz persönliches Geheimnis.
Als OB-Kandidat gibt er dagegen als Verfechter totaler Transparenz. Etwa in der Corona-Pandemie, wo er als neues Stadtoberhaupt alle Daten und Zahlen über Schwererkrankte, Todesfälle und Krankenhäuser veröffentlichen werde. Dass sehr viele Behörden wie das RKI dies seit Pandemiebeginn tun, scheint Ballweg nicht mitbekommen zu haben. Er werde jedenfalls aufgrund der Daten "alle Einschränkungen von Grundrechten und Freizügigkeit sowie die Maskenpflicht" aufheben, verspricht er.
Und was außer Corona hat Ballweg sonst noch vor? Als OB würde er die kommunale Infrastruktur, etwa die Wasserversorgung, wieder in städtische Hände überführen. Vielleicht ist ihm entgangen, dass der Gemeinderat genau dies längst beschlossen hat. Auch kündigt der Unternehmer an, "kritische Fragen zu Stuttgart 21 und Diesel-Fahrverboten zu stellen". Denn: "Angesichts der verzerrten Berichterstattung über die Querdenker-Demonstrationen ist nicht sicher, ob alles richtig berichtet wurde."
Evangelikal und Autofreund
Malte Kaufmann, 43 Jahre, vier Kinder, Immobilienunternehmer aus Mühlhausen bei Heidelberg, ist der einzige OB-Kandidat, der offen seine Parteizugehörigkeit kommuniziert: die zur AfD. Wortgewaltig zu Corona, ist der Kandidat woanders wortkarg: Kaufmann steht der Freien Christlichen Gemeinde Heidelberg nahe, die in der Unistadt einen Kindergarten und eine Schule betreibt. In ihr engagiert sich der AfD-Kreisratsvorsitzende als Lehrbeauftragter. Ähnlich wie US-amerikanische Evangelikale legt diese Gemeinde die Bibel als "Wort für Wort von Gott eingegeben" ultrakonservativ aus. In ihren Bildungseinrichtungen "trimmt man die Kids auf ziemlich schräges, alttestamentarisches Zeug und bringt ihnen neben dem vorgeschriebenen Lehrstoff zur Evolution auch die 'Alternative' des Kreationismus nahe", bemerkt der AfD-Watchblog Heidelberg.
Trotz seiner Religiosität will Kaufmann nicht an Dingen rütteln, die die Schöpfung bedrohen. "Wir können von Stuttgart aus nicht das Weltklima retten und die Erderwärmung aufhalten", argumentiert er im OB-Wahlkampf voll auf AfD-Linie. Verkehrsträger dürfe man nicht gegeneinander ausspielen. "Tempo 40 und Dieselfahrverbote werde ich zurücknehmen", verspricht er.
Kaufmann empfiehlt sich als Mann für Recht und Ordnung. Mit ihm bräuchten die Stuttgarter "keine Angst zu haben, von Drogenhändlern angegangen oder in die Fänge von kriminellen Gangs zu geraten." Dass Stuttgart zu einer der sichersten Großstädte hierzulande zählt, die Zahl der Straftaten laut polizeilicher Kriminalstatistik seit Jahren auf relativ niedrigem Niveau verharrt, ignoriert der OB-Kandidat. Als populistischer Wolf im Schafspelz entpuppt sich Kaufmann in den sozialen Medien. Auf Twitter nennt er die Corona-Schutzmaßnahmen als "Orgie an DDR-mäßigen, völlig unsinnigen & überzogenen Eingriffen". In Tweets warnt er vor der vermeintlichen Islamisierung Deutschlands.
Politik ohne Eitelkeit?
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