Martin Körner will Oberbürgermeister werden in dieser Stadt. Toll sind seine Chancen nicht, das Engagement - trotzdem oder deshalb – geradezu vorbildlich. Gut fünf Stunden nimmt sich der Sozialdemokrat, der mit seinem angriffigen Politikstil durchaus sogar in der Partei aneckt, Zeit für die zwei Kilometer zwischen Marien- und Südheimer Platz, hört zu, fragt nach. In zehn Bezirken der Landeshauptstadt war der 49-jährige Diplomvolkswirt schon, in Rohracker und in Weilimdorf, in Untertürkheim, Birkach oder Zuffenhausen, alle anderen 13 werden folgen und dann darauf aufbauend 60 Wahlkampftermine im engeren Sinn. Jetzt, an der Talstation der Zacke, knallt die Juli-Sonne auf den Beton. Eine der Gemeinderatsentscheidungen in der Amtszeit der oder des nächsten OB wird eine weitere Umgestaltung dieses so beliebten Areals sein: Bäume werfen ihren Schatten nur außen rum, an Hitzetagen ließen sich Spiegeleier auf den Stufen braten ohne weitere Energiezufuhr.
Aber nicht global, sondern lokal steht im Vordergrund. Konkret: Zusammen leben unter nicht einfachen Verhältnissen. Gleich die Nummer 1 der Böblinger Straße steht für den Niedergang. Einst gab es da eine Bäckerei, später schwärmte Wienerwald-König Friedrich Jahn von "einem meiner besten Standorte", noch später sollte ein "trendiges Geflügelkonzept" den Gründerzeitbau zur Keimzelle systemgastronomischer Expansion machen. Heute sind "Burger King" und "Chicken Tom" Nachbarn und die vier Resopal-Außen-Garnituren vom Charme einer ostbulgarischen Autobahn-Raststätte, ohne eben jenen zu nahe treten zu wollen. "Schauen Sie sich den Eingang zur Tübinger Straße gegenüber an", ereifert sich wenig später Heinz Klinger, "dann sehen Sie sofort den Unterschied."
Der untersetzte Friseurmeister ist die Antenne in eine andere Zeit und in andere Stuttgarter Bezirke. Sein Unternehmen gehört zu den ersten am Platze, nicht nur im Süden, sondern sogar in Mitte, Ost und West und Nord und drum herum. Immer öfter fragen ihn Stammkunden, ob er nicht wegziehen will. "Ich gehöre hierher", pflegt er dann zu erwidern und verschluckt den zweiten Teil des Satzes, der sich dann aber aus seinen lebhaften Erzählungen erschließt: Andere gehören nicht hierher, jedenfalls nicht in dieser großen Zahl. Immer war Klinger für Multikulti, "jetzt stürzt das Viertel aber ab, weil es gar nicht mehr Multikulti ist". Sondern? "Ein eigenes Milieu an jeder Ecke."
1 Kommentar verfügbar
Jörg Tauss
am 08.07.2020Sein einstelliges Ergebnis wird berechtigt noch unter dem von Rockenbauch liegen. Ich bin da zu jeder Wette weit…