Am 9. April informierte die Geschäftsleitung den Betriebsrat von Bosch in Leinfelden. Die Botschaft: Wir schließen das Werk bis Ende 2026, jetzt müsst ihr mit uns über einen Sozialplan für die 230 betroffenen Beschäftigten verhandeln. Am nächsten Tag ging die Nachricht raus an die Belegschaft. Ähnlich lief es im Boschwerk im sächsischen Sebnitz ab, wo rund 280 Leute Bohrhämmer bauen, auch ihre Arbeitsplätze sollen nach Ungarn.
"Bosch ist nicht mehr das Unternehmen mit sozialer Verantwortung für seine Beschäftigten", sagt Karin Solda. Sie ist Betriebsratsvorsitzende im Power Tools-Stammwerk in Leinfelden. Am vergangenen Mittwochnachmittag (21. Mai) steht sie auf der Ladefläche eines Unimog der IG Metall vor dem Werk, redet zu ihren Leuten und zu den Kolleginnen und Kollegen aus anderen Boschwerken, auch Arbeiter:innen aus benachbarten Firmen sind gekommen. "Heute geht es bei Bosch nur noch um Gewinnmaximierung", ruft sie. Die Leute buhen.
Solda berichtet, wie das Unternehmen den Betriebsrat ständig unter Druck setze: "Wir sollen verhandeln, heißt es dauernd. Aber wir brauchen erst die Unterlagen." Bis die endlich gekommen seien, habe es gedauert. Nun will der Betriebsrat mit der IG Metall erst mal eruieren, auf welcher Grundlage der Beschluss für die Schließung gefallen ist. Max Czipf, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Esslingen, sagt: "Die Geschäftsführung behauptet, sie hätten alle alternativen Szenarien durchgespielt. Diese Szenarien würden mich interessieren." Und sie wollen ein alternatives Konzept entwickeln, um die Produktion in Leinfelden zu halten, haben sich dafür die Stuttgarter Unternehmensberatung IMU ins Boot geholt. Erwartet Czipf, dass die Gegenseite tatsächlich verhandlungsbereit ist? "Bereit ist sie wahrscheinlich zunächst nicht", sagt er. "Dazu müssen wir sie bringen."
Leinfelden ist einer von vier Teilorten der Stadt Leinfelden-Echterdingen, 41.000 Einwohner:innen, südlich von Stuttgart gelegen. Gerade mal 15 Kilometer sind es bis zum Herzen des Boschkonzerns, der Schillerhöhe in Gerlingen. Einst war das Unternehmen nicht nur für seine hochwertigen Produkte, sondern auch für einen respektvollen Umgang mit den Beschäftigten bekannt. Viele Demo-Teilnehmer:innen tragen bei der Kundgebung T-Shirts mit dem Konterfei Robert Boschs und der Aufschrift: "Robert komm zurück – wir brauchen dich". Begonnen hat der Unternehmensgründer Robert Bosch 1886 mit einer Werkstatt für Feinmechanik und Elektrotechnik, heute beschäftigt die Robert-Bosch-Group weltweit 417.900 Menschen, 129.600 davon – noch – in Deutschland.
Scheibchenweise Jobs gestrichen
Karin Solda wirkt etwas müde, als sie sich nach der Kundgebung im Foyer des Betriebs auf eines der hellgrauen Sofas setzt. "Das tut gut. Den ganzen Tag stehen, ist irgendwie nix mehr." Vor 40 Jahren hat die heute 58-Jährige hier in Leinfelden bei Bosch angefangen, gleich nach der Lehre bei Breuninger. "Aber ich wollte nicht in den Verkauf." Damals seien sie noch um die 1.500 Leute in der Fertigung gewesen, sagt sie. 17 Jahre arbeitete sie im Controlling, 2002 wurde sie in den heute 19-köpfigen Betriebsrat gewählt und gleich freigestellt. Sie hängt eigentlich an ihrer Firma. Eben auf dem Unimog hat sie ihre Rede emotional beendet: Sie stimmte "You'll never walk alone" an. Viele der knapp 1.000 Gekommenen haben mitgesungen.
2 Kommentare verfügbar
Alfred Nicklaus
vor 17 StundenDiesen Kritikern hielt er entgegen, dass er nicht hohe Löhne zahle, weil er reich sei. Es sei umgekehrt: weil er hohe Löhne zahle, sei er reich…