Der baden-württembergische Landesverband und die Landtagsfraktion könnten jede Menge beisteuern zur parteioffiziellen Sammlung von Stuss. Grimmer nennt die Empfehlungen der "Laien" aus der Kohlekommission zum Ausstieg "blinden Aktionismus". Harald Pfeiffer (Böblingen) wirft den Grünen "übertriebenen Umweltwahn" vor, der ins "ideologische Nirwana" führe. Hans Peter Stauch (Hechingen-Münsingen) spricht von "der unbewiesenen Klimawirksamkeit von CO2" und davon, dass der Schutz eines "ideologischen, theoretisch zusammengeschusterten 'Weltklimas' (...) geowissenschaftlicher Unsinn und reine Propaganda" ist. Emil Sänze (Rottweil) schließlich wirft dem grünen Regierungschef "Klimaschutz-Wichtigtuerei und Weltrettungsattitüde" vor.
Dass solche Denkfehler, Irrtümer, Ungereimtheiten und Verschwörungstheorien schon aus der Opposition heraus Wirkung zeigen, belegt der oft tosende Beifall in den sozialen Medien. Am Beispiel der 21 Rechtsaußen-Parteien in Europa hat Adelphi aufgezeigt, um wieviel schwerer es wiegt, wenn sie mitregieren – inzwischen in immerhin neun Ländern, nach dem Rechtsruck in Estland vom Wochenende vermutlich bald zehn. So hat die österreichische FPÖ verlangt, das Pariser Klimaabkommen nicht zu ratifizieren – als sie noch Oppositionspartei war. Die österreichische Bundesregierung hat, damals noch unter SPÖ-Führung, unterzeichnet.
Hinter dieses Faktum will die ÖVP/FPÖ, auf Druck ersterer, nicht zurück. Vizekanzler Hans-Christan Strache, einer der Wortführer unter den europäischen SkeptikerInnen, findet aber regelmäßig Gelegenheiten, seine eigentliche Haltung zu unterstreichen. Durch Lob für die USA, als die ausstiegen, oder mit haarsträubenden Einschätzungen: "Die Erde erlebt seit ihrem Bestehen einen permanenten und natürlich verursachten Klimawandel. Von der Eiszeit zur Erderwärmung und retour, in unterschiedlichen Zyklen über Jahrtausende hinweg."
"Clexit", Gipfel rechter Klima-Rhetorik
Die Klimakrise und die Leugnung des Faktors Mensch, schreibt der Wiener "Standard" nach einer von der deutschen Otto-Brenner-Stiftung unterstützten Recherche, sei das "kommende Thema, das Rechtspopulisten und -extreme zusammenschweißt". Das neue Codewort heißt "Clexit", für "climate exit". Unter diesem Motto samt Website, aber ohne Impressum, organisiert sich laut "Standard" eine weltweite Bewegung, um "Regierungen davon zu überzeugen, aus dem Weltklimavertrag auszusteigen".
In offiziellen Papieren oder Reden der Rechten finden sich reichlich Belegstellen für die abenteuerliche Idee, Menschen hätten mit der Erderwärmung nichts zu tun. "Grönland war früher ein grünes Land mit Weinbergen", weiß die FPÖ und dass "angesichts der Sonneneruptionen und der Erwärmung der Sonne die globale Erwärmung" ohnehin nicht korrigiert werden kann. Im Parteiprogramm der polnischen PIS heißt es: "Das größte Hindernis bei der Stromerzeugung ist die von der Europäischen Union verhängte Klimapolitik." Die Schweizerischen Volkspartei will da nicht nachstehen: "Seit dem Industriezeitalter war die Menge an Schadstoffen und Emissionen nie niedriger als heute." Bekämpft werden müsse deshalb statt des Wandels die Hysterie.
Noch eine, die estische Volkspartei, die ihr Ergebnis gerade von neun auf fast 18 Prozent verdoppelt konnte, propagiert, "dass es eine Pause in der Erderwärmung gibt und wenn diese lange Pause nicht erklärt werden kann, sind es einfach nur Klima- oder Wärmeschwankungen. Niemand konnte überzeugend darüber sprechen, was es ist und ob es etwas mit menschlicher Aktivität zu tun hat." Und für rechten Dänen, die sich ebenfalls Volkspartei nennen, ist "die Frage, ob der Klimawandel vom Menschen gemacht wird oder nicht, reine Glaubenssache – und der Glaube gehört der Volkskirche".
Gefährliche Geschichten, unsinnige Gerüchte
Was tun mit so viel gezielter Desinformation und bornierter Ahnungslosigkeit? Adelphi hat analysiert, diese Haltung sei "nicht in erster Linie auf intellektuellen, kognitiven Möglichkeiten begründet", sondern rühre zu einem großen Teil aus Emotionen her. Nicht Balkendiagramme, sondern Geschichten hätten also die Macht, die Welt zu verändern. Gesucht und gefunden werden müsse in Politik und Wissenschaft ein "neuer optimistischer Mythos". Nicht mehr und nicht weniger und das auch noch schnell. Denn viele der unter die Lupe genommenen Parteien haben die meisten, einige sogar alle klima- und energiepolitischen Vorstöße der EU im Europäischen Parlament abgelehnt. Immer mit demselben Argument, Klimaschutzpolitik belaste die nationale Industrie unerträglich und höhere Energiepreise schadeten Unternehmen wie Verbrauchern. Der folgende Nachsatz zeigt die Gefährlichkeit der Entwicklung. Denn die Rechten haben nicht nur über ihre Regierungsbeteiligungen mehr Einfluss denn je in Nachkriegseuropa und dürfen bei der Europawahl im Mai mit deutlichen Zuwächsen rechnen. Obendrein erinnern ihre Thesen gelegentlich an diejenigen, die auch von anderen Parteien vorgebracht werden, darunter konservative, marktliberale und sogar linke.
9 Kommentare verfügbar
Juri Hertel
am 13.03.2019https://www.nrc.nl/nieuws/2019/03/10/klimaatscepsis-spectaculair-afgenomen-a3952765
Sie haben sich in 10 Jahren halbiert von 24% (2009) auf 11% (2019).
Besonders uebel ist den Nazis unter ihnen ergangen, von rd. 45% auf rd. 16%
Das…