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Klimakiller kosten extra

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Was tun in Zeiten von Kohlefan Donald Trump? Jetzt erst recht für Klimaschutz und Energiewende kämpfen, sagen Ursula und Michael Sladek. Die Stromrebellen aus dem Schwarzwald sind Gründungsmitglieder eines Vereins, der eine Abgabe auf klimaschädliche Emissionen fordert.

Es lässt sich nicht mehr bestreiten: Wir leben in verrückten Zeiten. Politisch, erst recht klimapolitisch. So war laut der amerikanischen Wetterbehörde NOAA das Jahr 2016 das wärmste seit mehr als 130 Jahren, seit Beginn der offiziellen Messaufzeichnungen anno 1880. Global gesehen lag die Temperatur um 0,94 Grad Celsius über dem Durchschnittswert des 20. Jahrhunderts. Vor allem in der Arktis gab es im Rekordjahr dramatische Entwicklungen. Das Eis schmolz im Sommer zwar nicht ganz auf die niedrigen Werte wie 2012, bildete sich danach im Herbst aber kaum neu. Teilweise war es im Nordpolargebiet mehr als zwanzig Grad wärmer als üblich.

Trotz dieser untrüglichen Zeichen wählten die Amerikaner im selben Jahr Donald Trump zum Präsidenten. Einen, der den menschengemachten Klimawandel als Erfindung der Chinesen abtut. Erst einmal im Amt, schaffte der Serien-Pleitier und Ex-TV-Moderator quasi die amerikanische Umweltbehörde EPA ab, indem er einen bekennenden Leugner des Klimawandels zu ihrem Chef ernannte. Vor wenigen Tagen trat er per Dekret das Klimaschutzgesetz Clean Power Act seines Vorgängers Barack Obama in die Tonne. Die alten fossilen Energieträger Kohle, Öl und Erdgas sollen Amerika wieder groß machen, versprechen Trump und die konservativen Republikaner. Ob die Rechnung langfristig ökonomisch aufgeht, bezweifeln zahlreiche Studien zwar, darunter <link https: www.oeko.de aktuelles kostenvergleich-erneuerbare-vs-fossile-energien external-link-new-window>ein Kostenvergleich zwischen erneuerbaren und fossilen Energien durch das deutsche Öko-Institut.

Auch sonst ist Trumps energiepolitischer Wechsel zurück in die Vergangenheit verhängnisvoll. Die relativ wenigen Jobs in der amerikanischen Kohleindustrie sind teuer zu bezahlen. So wird bei steigenden globalen Temperaturen <link http: www.pnas.org content early external-link-new-window>die Zahl der Todesfälle durch extreme Hitze steigen, warnen aktuell Wissenschaftler im US-Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" (PNAS).

Trotz Hitzestress "great again" mit fossiler Energie

Betroffen sind vor allem die sogenannten Megacitys, die mehr als zehn Millionen Einwohner haben. Bis zur Jahrhundertmitte werden 350 Millionen Megastadt-Bewohner mehr als noch heute von Hitzewellen betroffen sein. Wie die Forscher um den britischen Klimawissenschaftler Tom Matthews betonen, gilt dieser Befund auch dann, wenn das Pariser Klimaabkommen Erfolg haben sollte. Sprich: Selbst wenn die Erderwärmung auf höchstens zwei Grad Celsius begrenzt werden kann, wird die Zahl der Menschen, die Hitzestress ausgesetzt sind, künftig stark ansteigen.

Die Forscher erwarten, dass extreme Hitzewellen wie jene in Indien 2015 oder in Europa 2003 dann regelmäßig auftreten. So stiegen in einigen Teilen Indiens die Temperaturen auf bis zu 51 Grad - ein neuer Rekord. Durch den Hitzestress starben mehr als 2000 Inder, im benachbarten Pakistan gab es 1200 Hitzetote. Und die Hitzewelle in Europa im August 2003 soll laut einer Studie von 2007 sogar 70 000 Menschen das Leben gekostet haben. Auch westliche Städte werden sich in Zukunft stärker aufheizen, warnt Mitautor Georges Benjamin von der American Public Health Association. Bürgermeister und Stadtplaner müssten jetzt alles tun, um das Hitzerisiko in den Häuser- und Straßenschluchten zu begrenzen.

Ortswechsel: Mit etwas mehr als 220 000 Einwohnern zählt Freiburg zwar nicht zu den großen städtischen Agglomerationen. Doch mit einem Temperaturrekord von 40,2 Grad Celsius, gemessen am 13. August 2003, gehört die Breisgaumetropole zu den heißesten Pflastern der Republik (den aktuellen deutschen Hitzerekord hält das unterfränkische Kitzingen mit 40,3 Grad Celsius am 5. Juli und 7. August 2015). Insofern haben sich jüngst 20 Unternehmen, die zusammen mehr als 1.600 Mitarbeiter haben, sowie Vertreter von Umweltorganisationen und politisch interessierte Menschen den passenden Ort ausgesucht, um den "Verein für eine nationale CO2-Abgabe" zu gründen. Die 120 Gründungsmitglieder wollen trotz Trump den Klimaschutz voranbringen. Mit einer Abgabe auf fossile Energieträger, die gerade jenseits des Atlantiks so reüssieren, also auf Kohle, Erdöl und Erdgas.

"Der Pariser Klimavertrag setzt ehrgeizige Ziele. Um diese zu erreichen, müssen wir sofort an den Treibhausgasen angreifen", erläutert Ursula Sladek, eine der VereinsinitiatorInnen und Mitbegründerin der Elektrizitätswerke Schönau. Bislang dürften Stromkonzerne und Industrie klimaschädliches Kohlendioxid nahezu kostenlos in der Atmosphäre deponieren, sagt die auch als "Stromrebellin" bekannt gewordene Umweltschützerin. Zwar wurde in der Europäischen Union bereits 2005 der Emissionshandel gesetzlich eingeführt, um den CO2-Ausstoß zu verteuern und die Kosten ansatzweise zu internalisieren. Dieser Handel kam jedoch wegen eines Überangebots an bereitgestellten Zertifikaten mittlerweile weitgehend zum Erliegen. Die Preise fielen ins Bodenlose. So notierte ein Zertifikat für eine Tonne CO2-Ausstoß aktuell am letzten Börsenhandelstag im März bei 4,85 Euro. Im Jahr 2011 mussten die Unternehmen noch über 17 Euro für das gleiche CO2-Emissionsrecht bezahlen.

40 Euro sieht dagegen der Verein aktuell als angemessen für eine Tonne klimarelevantes Gas an. Dieser Preis solle dann kontinuierlich weiter steigen. "Es geht uns nicht um Mehrbelastungen, es geht um Umbau. Unsere Idee ist, alle Abgaben, die auf Strom erhoben werden, abzuschaffen, wie etwa die EEG-Umlage, die Stromsteuer und so weiter. Im Gegenzug führt man eine CO2-Abgabe ein, die dem Staat die gleiche Summe einspielt", ergänzt Michael Sladek. Für Bürger und Unternehmen bleibe es also ein Nullsummenspiel. Alle diejenigen, die sich klimagerecht verhalten, würden dagegen profitieren. "So schafft man einen starken Anreiz, den Ausstoß von Treibhausgasen zu vermeiden", glaubt Sladek.

Die Zeit zu handeln läuft schließlich davon: Bis zum Jahr 2020 soll laut Bundesregierung der CO2-Ausstoß hierzulande um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Tatsächlich stagniert er jedoch seit 2009 auf nahezu gleichem Niveau. Nach Prognose des Umweltbundesamts haben mehr Güterstraßenverkehr, kühlere Witterung sowie der zusätzliche Schalttag im Jahr 2016 zuletzt sogar zu einem leichten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen geführt. Demnach stiegen diese um fast vier Millionen Tonnen, entsprechend rund 0,4 Prozent, auf 906 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente. Gegenüber 1990 ergibt sich damit ein Rückgang um etwa 27,6 Prozent.

Spinnert? Schon etliche Länder verlangen Kohle für Kohlenstoff

Ohne zügigen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern wird Deutschland seine Klimaschutzziele 2020 deshalb verfehlen. "Höhere CO2-Preise sind von herausragender Bedeutung für ein Gelingen der Energiewende. Dadurch würden die durch einen ungebremsten Klimawandel hervorgerufenen Schäden in wirksame Preissignale umgewandelt. Effizienzinvestitionen wären dann sehr viel wirtschaftlicher und die erneuerbaren Energien könnten sich ohne kompliziertes Förderinstrumentarium im Energiemarkt weiter etablieren", verdeutlicht Joachim Nitsch, einer der Vordenker der Energiewende und Beiratsmitglied des neuen Vereins. Ökonomen und Umweltwissenschaftler sind sich einig, dass Abgaben oder Steuern auf den CO2-Ausstoß Anreize für Umweltinnovationen schaffen, etwa verbrauchsärmere Prozesse und Güter oder verbesserte Nutzung regenerativer Energien, und dass dies auch zum Wirtschaftswachstum beiträgt.

Tatsächlich ist eine CO2-Abgabe kein Phantasiegebilde spinnerter Klima- und Umweltschützer. Aktuell erheben weltweit 24 Staaten oder subnationale Bundesländer eine Kohlenstoff-Steuer oder planen sie einzuführen, <link https: openknowledge.worldbank.org bitstream handle external-link-new-window>berichtet die Weltbank in einem aktuellen "CO2-Steuer-Handbuch" für politische Entscheider. So kosten klimaschädliche Emissionen extra in industrialisierten Staaten wie Frankreich, Norwegen und Japan. Auch Schwellenländer wie Kolumbien und Mexiko erheben bereits die Steuer. Den Einwand, dass die Abgabe die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beschneide, lassen die Initiatoren deshalb auch nicht gelten. Gegebenenfalls müssten Ungleichheiten mit staatlichen Instrumenten ausgeglichen werden.

Um einen sozialverträglichen nationalen Preis auf Treibhausgase in Deutschland zügig einzuführen, bedürfe es einer breiten Allianz aus Bürgerinnen und Bürgern, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen, appelliert Vereinsvorstand Jörg Lange: "Wir laden daher alle zur Zusammenarbeit ein. Denn nur gemeinsam können wir unser Ziel der Erhaltung einer lebenswerten Umwelt durch den dringend notwendigen Klimaschutz erreichen."

"Wenn wir wollen, dass es mit der Energiewende weitergeht, dann muss es jetzt einen deutlichen Ruck geben", sagt auch Ursula Sladek. Erste positive Reaktionen gibt es bereits. "Über eine nationale CO2-Abgabe werden wir in den nächsten Wochen und Monaten ausführlich sprechen müssen", sagte Andre Baumann, Staatssekretär im grün geführten baden-württembergischen Umweltministerium, auf dem Energiepolitischen Forum 2017 am 23. März in Stuttgart. "Wir sind uns klar, dass es viele Gegenspieler und großen Widerstand geben wird", macht sich Ursula Sladek keine Illusionen. Klein beigeben kommt für die 70-Jährige jedoch nicht in Frage. "Mein Mann und ich sind erprobt im Kampf für die Energiewende".

 

Info:

Näheres zu den Zielen des am 27. März 2017 gegründeten Vereins unter <link http: www.co2abgabe.de external-link-new-window>www.co2abgabe.de. Dort gibt es auch eine Unterschriftensammlung für eine nationale CO2-Abgabe. Der Erklärfilm "Für eine nationale CO2-Abgabe!" läuft <link https: youtu.be qarzzz6jxko external-link-new-window>hier.


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1 Kommentar verfügbar

  • Dr. Diethelm Gscheidle
    am 05.04.2017
    Antworten
    Sehr geehrte Damen und Herren,

    da Kohle bekanntlich Sozen-Energie ist und ich die Sozen aus objektiv völlig nachvollziehbaren Gründen nicht ausstehen kann (Förderung von arbeitsfaulen und dummen Leuten, garstigen Pankern oder gar diabolischen Gewerkschaftlern, die unserer wirtschaftlichen…
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