Chapeau! Die Christdemokratische Partei Deutschlands, kurz CDU, leistet sich in ihrer Bundestagsfraktion einen "Koordinator für Energiepolitik", der ziemlichen Unsinn redet. "Zukünftig muss sich der Wind-Zubau auf gute Standorte konzentrieren. Wo es keinen Wind gibt, macht auch kein Windrad Sinn", kommentierte der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß aus dem schwäbischen Wahlkreis Zollernalb-Sigmaringen die jüngsten EEG-Reformpläne von SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel. Für wie blöd hält der christdemokratische "Energieexperte" von der rauen Alb eigentlich Investoren, die ihr Geld in die deutsche Energiewende stecken? Glaubt er wirklich, dass diese Millionen in Windräder investieren, die an windstillen Orten stehen und sich nie drehen?
Bareiß' Aussage ist symptomatisch für das Niveau, auf dem die deutsche Energiewende in Politik, Medien und Gesellschaft derzeit abgehandelt wird. Viel Halbwissen und bei Bedarf ordentlich Provokation und Populismus machen jeden Hinterbänkler noch zum Energieexperten. Doch vielleicht ist Bareiß tatsächlich schlauer, als es auf den ersten Blick ausschaut. Vielleicht sagt dieser Experte eben solchen Blödsinn, um Stimmung zu machen? Gegen erneuerbare Energien. Denn wie in kaum einem anderen Bereich wird derart getäuscht, getrickst, und auch unverhohlen gelogen wie in der hiesigen Energiepolitik! Schließlich geht es um Geld, viel Geld. Rund 200 Milliarden Euro, die Deutschland jährlich für seine Energieversorgung ausgibt. "Im Land gehen die Lichter aus, wenn Wyhl nicht gebaut wird", log in den Siebzigerjahren die CDU-geführte Landesregierung unter dem ehemaligen Marinerichter Hans-Karl Filbinger. Das Atomkraftwerk am südbadischen Kaiserstuhl wurde nach heftigem Widerstand der Bürger nie gebaut, und alle Lichter brannten weiter.
Souveräne Politik: Wenn die Kanzlerin zweimal wendet
Die Mär vom stromlosen Leben bei Kerzenschein wurde wiederbelebt, als CDU-Kanzlerin Angela Merkel im Jahr 2010 zunächst die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke verlängerte. Und auch die Strombosse warnten vor dem Blackout, als dieselbe Kanzlerin nach Fukushima im Frühjahr 2011 die eben erteilte Laufzeitverlängerung wieder kassierte und die Energiewende ausrief. Seither wird gekämpft, mit allen Mitteln und harten Bandagen, eben gegen den energiepolitischen Aus- und Umstieg. Denn die Wende ist tatsächlich ein Systemwechsel: weg von schmutzigen Kohle- und strahlenden Atomriesenkraftwerken in Besitz der vier großen Konzerne (EON, RWE, Vattenfall, EnBW), hin zu sauberer dezentraler Energie aus Solar-, Wind-, Wasser- und Biomasseanlagen, die sich zudem oft in Bürgerhand befinden.
Um den Systemwechsel möglichst lange hinauszuzögern oder gar doch noch zu verhindern, ist fast jedes Mittel und Opfer recht. Seien es Desinformationskampagnen à la Bareiß, oder Zehntausende Arbeitsplätze, die in den vergangenen zwei Jahren bei mittelständischen Handwerkern und Solarmodulherstellern verloren gingen, weil CDU und FDP die Einspeisevergütung für Solarstrom zuletzt zu radikal zusammenkürzten.
Sparen mit teurer Offshore-Windkraft – wie geht das denn?
Und jetzt Energieerzengel Gabriel! Mit seinen Vorschlägen, unter anderem den garantierten Preis für erneuerbaren Strom innerhalb von zwei Jahren von derzeit durchschnittlich 17 Cent auf 12 Cent zu drücken, macht der SPD-Vorsitzende den besseren FDP-Rössler (das ist derjenige, den die "freien Kräfte des Marktes" aus dem Bundestag gespült haben). Denn gekürzt und begrenzt wird vor allem bei "billigen" Erneuerbaren, bei Windkraft an Land und bei Photovoltaik. Ausgerechnet die teuerste saubere Energiequelle kommt bei Super-Gabriel nahezu ungeschoren weg: Windparks auf hoher See. Doch die gehören auch den großen Energiekonzernen. Die Pläne für einen gedrosselten Ausbau der Windkraft an Land seien "volkswirtschaftlich unsinnig", sagt Torsten Albig. Das Schlimme ist: Der glatzköpfige SPD-Ministerpräsident von Schleswig-Holstein hat recht.
"Positiv ist, dass wir jetzt eine Diskussionsgrundlage haben, auf der man aufbauen kann. So ist es zwar richtig, Überrenditen bei Windenergieanlagen an Land an sehr guten Standorten abzubauen. Ausbaukorridore für diese günstigste Form der erneuerbaren Energien sind jedoch unnötig und kontraproduktiv. Sie würden die bisherige Planung und öffentliche Konsultationen zum Netzausbau konterkarieren, zu einem Wettlauf der Investoren gegen die Zeit führen, die Qualität der oft langwierigen Planungen nachteilig beeinträchtigen und alle Beteiligten erheblich verunsichern. Unklar bleiben auch die Auswirkungen auf den Ausbau der Windkraft in Süddeutschland", sagt auch Baden-Württembergs grüner Umweltminister Franz Untersteller, den Kontext um eine Stellungnahme zum Gabriel-Papier gebeten hat.
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Ulrich Frank
am 28.01.2014