Wer derart weichgespült agiert, kann die erschreckenden Bilder der zur Steinwüste mutierten Dreisam, der aufgeworfenen Autobahnen oder von Kälbern auf dem Weg zur Notschlachtung aus Futtermangel nutzen: zur politischen Aufklärung darüber, dass extrem dank so vieler großer und kleiner Fehlentscheidungen der vergangenen Jahre jetzt normal ist. "Wir beanspruchen für uns selbst, eine Führungsrolle im globalen Klimaschutz einzunehmen", sagt Franz Untersteller im Mai 2007, als die Grünen-Fraktion ihren Masterplan Klimaschutz 2020 vorlegte. Untertitel: "Baden-Württemberg setzt neue Maßstäbe." Als Präambel diente ein Zitat von Lothar Späth (CDU): "Nichts liegt näher, als dass die Rettung des globalen Klimas von jenen in die Hand genommen wird, welche die meisten Schäden zu verantworten haben, weshalb es ungemein wichtig ist, jetzt einen realistischen Arbeitsplan zu entwickeln, der vernünftig, klar und verbindlich ist."
Auf der Sachebene tun die Grünen viel fürs Klima
An solchen Arbeitsplänen ist kein Mangel. Auch dürfen die Grünen für sich beanspruchen, viele Weichen neu gestellt zu haben seit ihrem Amtsantritt 2011. Beispiele liefern Energie- und Verkehrspolitik, die Landwirtschaft oder die Klimaschutzberatung, in der weltweiten Zusammenarbeit gegen die Erderwärmung auf regionaler Ebene, die gemeinsam mit Kalifornien begründet wurde. Erst kürzlich hat sogar Agrarminister Peter Hauk (CDU), der von 2005 bis 2010 das Amt schon einmal innehatte, frühere Versäumnisse eingeräumt und eine höhere Schlagzahl gefordert, etwa beim Erhalt der Biodiversität. In Baden-Württemberg leben rund 50 000 Tier- und Pflanzenarten. Über 40 Prozent sind vom Aussterben bedroht. Die beiden grüngeführten Landesregierungen, ein Beispiel von Dutzenden, haben deshalb seit 2011 den Naturschutzhaushalt von 30 Millionen Euro aufgestockt auf 90 Millionen Euro bis 2020. Das Insektensterben hat laut Hauk der Koalition "noch einmal vor Augen geführt, wie zwingend erforderlich ein sofortiges, zielgerichtetes und ressortübergreifendes Handeln ist".
Es geht aber nicht allein um Förderprogramme, um neue Schwerpunkte oder Planstellen. Gerade die Grünen müssen sich fragen lassen, ob sie mit ausreichend deutlichen Ansagen unterwegs sind, um die Dramatik der Situation ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Vor zehn Jahren hatte der Weltklimarat (IPCC) in einem Statusbericht zur globalen Lage festgestellt, dass sich die Erwärmung des blauen Planeten – der aktuell ziemlich braun ist, wie die Aufnahmen des Kosmonauten Alexander Gerst zeigen – nicht mehr aufhalten, sondern nur noch begrenzen lasse. Nurmehr bis 2015 sei Zeit, "um durch eine drastische Absenkung der Treibhausgase das anvisierte Zwei-Grad-Ziel noch zu erreichen". Vom Klima im Fieber spricht die Wissenschaft, für den Hamburger Experten Mojib Latif ist es bereits fünf nach zwölf. Neun der 21 heißesten Sommer seit Beginn aller Aufzeichnungen gab es seit der Jahrhundertwende. Nach 2015, 2016 und 2017 dürfte 2018 hinzukommen.
Robert Habeck, der Bundesvorsitzende der Grünen und Noch-Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, nimmt die Hitzewelle der vergangenen Wochen zum Anlass, um wenigstens mal mit "radikalen Schnitten" zu drohen. Dem Schriftsteller schwebt eine andere Landwirtschaft vor, die beispielsweise die Tierhaltung drastisch begrenzt. Er wagt sogar eine Zahl: "Etwa zwei Rinder pro Hektar Land." In Baden-Württemberg sind solche Töne verpönt. Kretschmann hält nichts von "Verbotsrhetorik", die Seinen wollen nicht mehr aufrütteln oder gar Schlagzeilen produzieren. Thematisiert wird nicht selbstbewusst das große Ganze, sondern bestenfalls der Reparaturbetrieb, wie die Notfallhilfe für BäuerInnen bei Hitze, Trockenheit, Hagel, Starkregen, Spätfrösten oder Winterstürmen. Selbst Steilvorlagen wie die Präsentation des Statusberichts zum kommunalen Klimaschutz im Land bleiben unverwandelt.
5 Kommentare verfügbar
Alfred Mayer
am 18.06.2020Klimakatastrophe.
So viel Harmlosigkeit musste belustigen. Und das grüne Establishment wagt in seiner…