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Ein Hoch auf Kohle, Gas und Öl

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Für Donald Trump ist der Klimawandel ein Märchen, fossile Energie die Zukunft. Was sagt ein grüner Umweltminister dazu? Franz Untersteller hofft, dass alles nicht so schlimm kommt, manches nur "Wahlkampfgetöse" eines "Klimaleugners" ist. Er baut auf den Markt und Gegenwind.

Barack Obama gab sich redlich Mühe, die Ängste vor seinem Nachfolger zu zerstreuen. Gerade beim Klimawandel, den Donald Trump schlicht leugnet. In Berlin lobte der scheidende US-Präsident die "zentrale Rolle", die Deutschland und die USA gespielt haben, um das Pariser Klimaschutzabkommen zu erreichen. Und in der "Wirtschaftswoche" schrieb Obama zusammen mit Angela Merkel, das Abkommen gebe der Welt den "Rahmen für den gemeinsamen Schutz unseres Planeten". Noch deutlicher wurde sein Außenminister John Kerry während der jüngsten Weltklimakonferenz in Marrakesch: "Niemand hat das Recht, nur auf der Grundlage einer Ideologie oder ohne die richtigen Informationen Entscheidungen zu treffen, die Milliarden Menschen betreffen".

Der Chinese hat den Klimawandel erfunden

Beruhigungspillen tun Not, denn Klimaschutz war im New Yorker Trump Tower bislang nur Thema, wenn er Geschäfte und Gewinne ausbremste. Für den Immobilien-Tycoon ist die globale Erwärmung nur ein Märchen. Die Chinesen hätten die Geschichte vom Klimawandel erfunden, um der amerikanischen Industrie zu schaden, twitterte Trump im November 2012. Im Wahlkampf betonte er mehrfach, bei Umweltschutz und Energieversorgung alles anders machen zu wollen als Hillary Clinton und der amtierende Präsident.

Was er ändern werde, das verriet Trump am 26. Mai dieses Jahres während der Williston Basin Petroleum Conference in Bismarck, North Dakota. Auf dem Branchentreff der Erdölindustrie präsentierte Trump einen <link https: www.donaldjtrump.com press-releases an-america-first-energy-plan external-link-new-window>"America First"-Energieplan. Der ist eine Kampfansage an bisherige Bemühungen, den Treibhausgasausstoß der Vereinigten Staaten zu drosseln. Obwohl die USA nach China heute die meisten Klimagase in die Luft blasen. Trump kümmert es nicht. Mit seinem 100-Tage-Regierungsprogramm werde er alle "Arbeitsplatz vernichtenden Klimaschutz-Gesetze" der Obama-Administration annullieren, die Kohle-Industrie retten, die umstrittene Keystone-Ölpipeline bauen, das Moratorium zur Gewinnung fossiler Rohstoffe beenden und "alle unberechtigten Restriktionen" für neue Fördertechniken von Öl und Schiefergas widerrufen. Zudem werde er das Pariser Klimaschutzabkommen kündigen und "alle Zahlungen von amerikanischem Steuergeld an Klimaschutzprogramme der Vereinten Nationen" stoppen.

Am 22. September bekräftigte Trump beim "Shale Insight Event" in Pittsburgh, einem Lobbyisten-Treffen der Schieferöl- und Schiefergasindustrie, seine Sicht der Energiewende. Künftig solle mehr "amerikanische Energie" produziert werden. Schließlich sitze das Land "auf einem Schatz von etwa 50 Billionen Dollar an unkonventionellen Öl- und Gasreserven". Zusätzlich lagerten im amerikanischen Boden Kohlevorkommen für Hunderte von Jahren. Kein Wort verlor er über die auch in den USA boomenden erneuerbaren Energien.

Die Kehrtwende zurück ins fossile Energiezeitalter verheißt den Amerikanern nur Gutes, nämlich unglaublichen Wohlstand. Laut Trump steigt das Bruttoinlandsprodukt jährlich um 100 Milliarden Dollar, pro Jahr entstehen eine halbe Million neuer Jobs. Die Segnungen reichen bis in die ferne Zukunft: Innerhalb von vier Jahrzehnten werden die Steuereinnahmen um sechs Billionen Dollar zulegen, und die Wirtschaft zusätzlich über 20 Billionen Dollar investieren, zitierte Trump in Pittsburgh Zahlen, für die er das Washingtoner Institute for Energy Research (IER) als Quelle nannte.

Was Trump nicht sagte: Das IER gilt als eine der einflussreichsten Organisationen in den USA, die den von Menschen gemachten Klimawandel leugnen. Zu den Finanziers des Instituts zählen erzkonservative Industrielle wie der Multi-Milliardär Charles G. Koch sowie zahlreiche Öl- und Kohlekonzerne. Der politische Ableger des IER, die American Energy Alliance (AEA), fährt seit Jahren Kampagnen gegen erneuerbare Energien in den USA. AEA-Präsident Thomas Pyle gehörte denn auch zu den ersten, der Trump nach dem Urnengang gratulierte: "Trumps Wahlsieg bietet die Gelegenheit, die schädliche Energiepolitik der Vergangenheit zurückzudrehen".

6200 Kilometer östlich des New Yorker Trump Towers ist in Baden-Württemberg der Klimawandel bereits spürbar. So gilt der tiefliegende Rheingraben schon heute als wärmste Region Deutschlands. Karlsruhe, Rheinstetten, Freiburg im Breisgau und Mannheim sind mit Spitzentemperaturen um 40 Grad Celsius unter den Top Ten der deutschen Hitzerekordhalter. Die Landeshauptstadt Stuttgart liegt in einem dicht bebauten Talkessel, der sich an heißen Tagen wie ein Backofen aufheizt. 2016 wird voraussichtlich das wärmste Jahr seit beginn der Wetteraufzeichnungen 1879. Die mittlere Jahrestemperatur könnte in den nächsten Jahrzehnten um bis zu fünf Grad Celsius steigen. Dazu kommen Hitzewellen, Niedrigwasserstände, Trockenperioden, heftige Gewitter mit Überschwemmungen und kräftige Stürme. "Die Folgen für die Bevölkerung, die Umwelt und die (Land-)Wirtschaft sind mit hohen Anpassungsschwierigkeiten und auch -kosten verbunden", warnt etwa der Verband Region Stuttgart.

Der grüne Umweltminister fühlt sich alles andere als ermutigt

Der grüne Umweltminister Franz Untersteller weiß das alles und ist entsprechend konsterniert. "Das ist alles andere als ein ermutigendes Zeichen, dass jetzt ein Klimaleugner ins Weiße Haus einzieht", klagt der 59-Jährige Energieexperte. Allerdings müsse nicht alles, was Trump im Wahlkampf gesagt habe, auch eintreffen. "Manches war wohl nur Wahlkampfgetöse", hofft Untersteller. Andererseits besetze der künftige US-Präsident sein Übergangsteam mit Leuten, die nichts Gutes für den Umwelt- und Klimaschutz verheißen.

Einer davon ist Myron Ebell, der bis dato für das Competitive Enterprise Institute arbeitet, einem von der Kohle- und Ölindustrie finanzierten Think-Tank. Er soll die amerikanische Umweltbehörde EPA umkrempeln. Nur mit ihrer Hilfe gelang es Obama, den "Clean Power Plan" zur Reduktion der CO2-Emissionen auf den Weg zu bringen. Ebell hatte den Plan als illegal bezeichnet. Die EPA selbst hatte mit dem Clean Air Act verbindliche Zielvorgaben gemacht. "Trump konnte niemand besseres als Ebell finden, um Obamas Klimaschutzpolitik wieder abzubauen", schreibt die "New York Times".

Auch Brigitte Dahlbender, Landesvorsitzende des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), sieht im Ausgang der US-Wahl eine Zeitenwende. "Trumps Wahlsieg hat schwierige politische Zeiten eingeläutet", glaubt Dahlbender. Die Äußerungen des designierten US-Präsidenten und führender Republikaner ließen befürchten, dass in Washington künftig nur ökonomische Interessen eine Rolle spielen. "Unsere Denke einer vorausschauenden und verantwortungsvollen Politik existiert in Trumps Welt nicht", sagt Dahlbender. Die Amerikaner hätten mit dem Milliardär auch die Philosophie des ungehinderten Wirtschaftswachstums gewählt.

Immerhin: Kaliforniens Gouverneur ist für Klimaschutz

Weil ein Minister aber immer optimistisch sein muss, verweist Untersteller darauf, dass amerikanische Umweltpolitik nicht nur in Washington gemacht werde. "Vieles wurde von einzelnen Bundesstaaten vorangetrieben", sagt er. Kalifornien, Oregon oder Columbia hätten vorbildliche Initiativen ergriffen, etwa bei der Luftreinhaltung. Kalifornien gilt als Staat mit den strengsten Abgasvorschriften weltweit. Die Umweltbehörde CARB des "Golden State" deckte den VW-Abgasskandal auf. Beim Klimaschutz ziehen Kalifornien und Baden-Württemberg zudem an einem Strang. Auf ihre Initiative hin bekannten sich im Vorfeld der Pariser Klimakonferenz 2015 mehrere Regionen zu einem "Memorandum of Understandig", um den globalen Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Inzwischen sind über 160 Regionen und Befürworter beigetreten, und Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown wisse, "wie wichtig Klimaschutz ist", glaubt Untersteller und erwartet mächtig Gegenwind für Trump.

Außerdem werde die angekündigte Renaissance fossiler Energieträger in den USA auch an marktwirtschaftlichen Gesetzen scheitern, prognostiziert Baden-Württembergs Umweltminister. Wind- und Solarparks produzieren Strom viel billiger als Kohlekraftwerke. Eine Kilowattstunde Solarstrom in Kalifornien kostet heute drei bis vier US-Cent. "Das ist unschlagbar günstig", sagt Untersteller, dagegen seien fossile Kraftwerke nicht mehr wettbewerbsfähig. Es sei denn, Washington würde die Kohleverstromung mit Milliarden Dollar subventionieren. Das wiederum kann er sich nicht vorstellen.

Für Brigitte Dahlbender gilt ein "Jetzt-erst-recht". Deutschland und Europa müssten Vorreiter bleiben, um auch einen möglichen Ausfall von Amerika beim Klimaschutz zu kompensieren, und Untersteller hofft, dass Trumps Wahl dazu führt, "dass die Europäer sich ihrer Rolle wieder bewusst werden und enger zusammenrücken." Der Grüne erinnert an die Durchschnittstemperaturen in Karlsruhe, die heute so hoch sind wie im französischen Lyon, an die Apfelblüte, die drei Wochen früher beginnt, an die eingewanderte tropische Tigermücke und extreme Unwetterereignisse wie in Braunsbach, die ganze Ortschaften zerstören. Trotz Trump, sagt er, Energiewende und Klimaschutz "sind alternativlos".


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5 Kommentare verfügbar

  • Barolo
    am 28.11.2016
    Antworten
    @adabei: Hab mir den Lesch angesehen. Zwei Bemerkungen dazu. Wenn ich den Kirstein richtig verstanden habe, steigt die Temperatur momentan nicht. Zweitens stellt er die Frage nach Ursache und Wirkung. Und das sagt der Lesch ja auch. Erst steigt die Temperatur (was ist die Ursache? Sonnenaktivität?…
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