Nach dem Knatsch ist vor dem Knatsch. Die gut 30-seitige Begründung des Leipziger Feinstaub-Urteils, die seit wenigen Tagen auf dem Tisch liegt, ist erheblich eindeutiger, als die Landesregierung zum Start in die landespolitische Pfingstpause weismachen will. Sogar im Verkehrsministerium wird gebremst. Das hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass Hausherr Winfried Hermann eben erst öffentlich vom Ministerpräsidenten gerüffelt wurde. Für nichts als die Wahrheit: Hermann hatte sich getraut, unter anderem laut darüber nachzudenken, dass beim Thema Fahrverbote Euro-5- und Euro-4-Diesel gleichbehandelt werden müssten. Die neueren Motoren stoßen nämlich mehr Schadstoffe aus als die älteren. Der Minister habe "rumräsoniert", reagierte Winfried Kretschmann kühl, anstatt den Ball dankbar aufzunehmen. Und dann beklagte er die "sehr schwierige Materie".
Der Neuigkeitswert dieser Erkenntnis liegt bei Null. Denn seit vielen Jahren wissen gerade die Grünen, dass die Luft in hochbelasteten Innenstädten ohne drastische Einschnitte nicht ausreichend verbessert werden kann. Und spätestens seit dem Foul der CDU-Fraktion rund um die Reform des Landtagswahlrechts hätten die ohnehin immer zahlreicher werdenden selbsternannten StrategInnen im Staatsministerium schon mal an einem tragfähigen Plan basteln können. Kretschmann selbst schloss Gegengeschäfte mit dem wortbrüchigen Koalitionspartner aus. Sich die Zustimmung zu Vernünftigem, Notwendigem und höchstrichterlich Bestätigtem zusichern zu lassen, um den Frieden zunächst wiederherzustellen und dann langfristig zu stabilisieren, wäre aber kein anrüchiger Deal gewesen, sondern politisch klug.
Die Chance ist vertan. Mehr noch: Viele in der CDU sind längst als Stimmungsmacher unterwegs, allen voran der neue Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium Steffen Bilger. Der ist auch einer der mächtigen Bezirksvorsitzenden seiner Partei (Nordwürttemberg) und kennt keine Scheu, die Uralt-Kamelle von den falsch platzierten Messstellen aufzutischen. Im Eilverfahren beschlossen worden ist bereits, die Standorte republikweit zu überprüfen. Der Stuttgart-21-Fan geht zudem mit haltlosen Behauptungen hausieren: "Wenn europaweit die gleichen Maßstäbe gelten sollen, dürfen wir in Deutschland die EU-Vorgaben nicht besonders negativ umsetzen, während andere Länder überwiegend die für die Einhaltung der Grenzwerte bestmöglichen Standorte nehmen."
Gönner: "Der Gesundheitsschutz muss Vorrang haben"
Belege dafür bleibt der 39-jährige Jurist, der schon als Jüngling in die Schüler-Union eintrat, schuldig. Und das Verb "dürfen" unterstreicht den Vorsatz. Denn natürlich weiß er als Fachpolitiker, dass die Messstationen da stehen, wo sie hingehören. Erst recht in Stuttgart. Weil dieselbe Debatte schon 2007 geführt wurde. Schwarze unter sich: Tanja Gönner zitierte damals keinen Geringeren als den damaligen OB Wolfgang Schuster (CDU) mit seiner Antwort auf einen Vorstoß der FDP-Gemeinderatsfraktion: "Das Bundes-Immissionsschutzgesetz schreibt so genannte Worst-Case-Messungen an Stellen mit den vermutlich höchsten Konzentrationen vor."
2 Kommentare verfügbar
Peter Meisel
am 24.05.2018Vor sieben Jahren war sie noch ziemlich verstockt:
Zitat BB 24.01.2011
"Grafenau: Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner beim Neujahrsempfang der CDU Klares Bekenntnis zur Kernkraft!
Das Land habe ein Energiekonzept…