Die Zahlen sprechen für sich: Im Schnitt verbrachten Autofahrer in Berlin, Hamburg und Stuttgart im vergangenen Jahr 44 Stunden im Stau. Nur bayerische Pendler mussten sich nach Erhebungen des Verkehrsdatenanbieters Inrix noch länger gedulden: Mit 51 Stunden wurde München zum zweiten Mal in Folge Stauhauptstadt Deutschlands. Auch wenn Städte, Länder und der Bund jedes Jahr Milliarden ins Straßen- und Nahverkehrsnetz pumpen: Ein stetig steigendes Verkehrsaufkommen macht diese Anstrengungen zunichte. "Um künftige negative Folgen auf die Wirtschaft zu verhindern und die Mobilitätsherausforderungen zu meistern, müssen wir in intelligente Verkehrssysteme investieren", sagt Inrix-Chefvolkswirt Graham Cooksen.
Bei der Suche nach Lösungen fokussierten sich Stadt- und Verkehrsplaner bislang nur auf zwei Raumebenen einer Stadt: auf die Oberfläche, wo Straßen, Wege und Schienentrassen den Verkehr aufnehmen, sowie auf den Untergrund, wo Tunnelröhren zusätzliche Wege für Autos, Busse und Bahnen schaffen. Erst seit wenigen Jahren diskutieren Experten und Politiker auch über den Einsatz von Luftseilbahnen als Antwort auf innerstädtische Verkehrsprobleme und als Beitrag zu einer nachhaltigen Mobilität. Diese könnten die bisher meist ungenutzte dritte Ebene im städtischen Verkehrsraum nutzen.
Schwebende Gondeln für Pendler hierzulande? Fehlanzeige. "Die Idee ist immer wieder aufgekommen. Realisiert wurde aber bislang keine einzige Seilbahn", erläutert Maike Puhe vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Anders als in den Skigebieten der Mittelgebirge und Alpen, wo sich die Zahl der Bahnen in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht hat, schaffte es dieses Transportsystem noch in keiner Stadt zum Teil des öffentlichen Nahverkehrs zu werden. Bisherige Seilbahnprojekte seien gewöhnlich unabhängig von der sonstigen strategischen Verkehrsplanung diskutiert und realisiert worden, erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) am KIT. "Den Anstoß gab meist ein äußerer Anlass, etwa eine Ausstellung", sagt Puhe. Stadtseilbahnen laufen bis dato als touristische Attraktionen.
Das gilt etwa für die Seilbahn Koblenz, die auf 890 Meter Gesamtlänge das linkseitige Rheinufer mit der 112 Meter höher gelegenen Festung Ehrenbreitstein auf der gegenüberliegenden Flussseite verbindet. Sie wurde zur Bundesgartenschau 2011 in Betrieb genommen. Auch die Seilbahn Berlin startete im April 2017 zeitgleich mit Beginn der Internationalen Gartenausstellung. Sie überquert auf 1,5 Kilometern das über 100 Hektar große Ausstellungsgelände. Und die Kölner Seilbahn, die älteste urbane Luftseilbahn Deutschlands, wurde zur Bundesgartenschau 1957 errichtet. Sie steht wegen Defekts seit vergangenem Jahr still.
Bislang fehlen Erfahrungswerte
Die weißen Flecken auf der deutschen Seilbahnenkarte, die derzeit 80 Betreiber vor allem am Alpenrand verzeichnen, könnten jedoch bald weniger werden. In Stuttgart soll eine Luftseilbahn künftig Pendler sicher und nachhaltig transportieren. Das zumindest schwebt den Grünen im Rathaus vor, um den verkehrsgeplagten Stadtbezirk Vaihingen auf den Fildern zu entlasten. Die angedachte Bahn könnte den dortigen Regionalzug- und S-Bahn-Halt und ein mögliches Park-&-Ride-Parkhaus in Nähe der Autobahnanschlussstelle Möhringen verbinden. Autofahrer aus dem Süden könnten somit schon an der A 8 in eine Gondel zum Vaihinger Gewerbegebiet Synergiepark umsteigen und über die Nord-Süd-Straße hinweg schweben, auf der zu Stoßzeiten häufig Stau herrscht. Eine Seilbahn, die in zehn Minuten die drei Kilometer lange Strecke bewältigt, könnte den flächenfressenden und teuren Ausbau des überlasteten Straßenzubringers vermeiden, hoffen die Initiatoren.
Mit Unterstützung der SPD forderten die Grünen die Stadtverwaltung auf, neben dieser Trasse auch eine längere Linienführung zu prüfen. Die Gondeln könnten in westlicher Richtung über den Vaihinger Bahnhof hinaus bis zur einstigen IBM-Hauptverwaltung beim Stuttgarter Autobahnkreuz fahren. In 2015 hatte der Düsseldorfer Investor Mathias Düsterdick das leerstehende Areal gekauft. Unter dem Namen "Garden Campus Vaihingen" soll dort ein Arbeits- und Wohnquartier für bis zu 6000 Menschen entstehen. In entgegengesetzter Richtung wäre eine Endstation am Stuttgarter Flughafen denkbar. Allerdings würde dies die Trasse auf rund zehn Kilometer verlängern, was als technische Herausforderung gilt. Den Weltrekord für 3-Seil-Bahnen (zwei Tragseile, ein Zugseil) hält derzeit die Seilbahn Hòn Thơm in Vietnam, die auf 7899,9 Meter Länge zwei Ferieninseln verbindet.
4 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 28.05.2018Nur weil sie zu egoistisch, feige und charakterlos sind sich mit der Auto- und Öllobby anzulegen um Fahrverbote durchzusetzen und damit das jährliche tausendfache töten von Menschen durch Feinstaub und Stickoxyd…