In Wolfsburg hat der VW-Betriebsrat in der Belegschaft Unterschriften gesammelt. Das wäre mal eine gute Idee gewesen, hätte die Aktion die richtige Stoßrichtung gehabt. Statt aber den Bossen gehörig aufs Dach zu steigen, wetterte Betriebsratschef Bernd Osterloh gegen das "Politikgezänk" und die "zwei Jahre Dauerkritik", der VW jetzt schon ausgesetzt sei. Zwei verlorene Jahre, aus der Sicht der KundInnen und aus der Sicht der "lieben Kolleginnen und Kollegen", die laut Zitzelsberger Autos bauen, mit denen Konkurrenzprodukte "in puncto Qualität, Sicherheit und auch bei der Schadstoff- und Emissionsminimierung nicht ansatzweise mithalten können".
Die Tragweite dieser Realitätsverweigerung ist immens. Denn so wenig plausibel es ist, dass VW-Chef Martin Winterkorn nichts gewusst haben soll von den betrügerischen Machenschaften, so sehr muss den gesunden Menschenverstand ausschalten, wer gleichzeitig an die komplette Ahnungslosigkeit in den Werkshallen glaubt. Ingenieure haben sich die irreführende Software ausgedacht, Vorgesetzte deren Einbau entschieden. Die Vorstellung, dass unter zigtausend Arbeitern bei all der sonstigen Technikbegeisterung kein blasser Schimmer davon vorhanden war, was da montiert wurde und wozu – die mag nicht so recht einleuchten. Denn selbstverständlich wird derzeit in Belegschaften darüber diskutiert, dass die so groß angekündigten freiwilligen Nachrüstungen von mehr als zwei Millionen deutschen Fahrzeugen technisch noch gar nicht entwickelt ist.
Verklemmter Umgang mit den Tatsachen
Wie wenig Gewerkschafter bereit sind, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen und sie dann auszusprechen, belegt die Debatte um die Blaue Plakette. "Mich besorgt, dass der Überblick verloren geht, und dass man sich nicht auf das Wesentliche konzentriert", lässt sich Zitzelsberger kürzlich in einem Interview zitieren, in dem er zugleich der Politik vorwirft, keine klare Kante zu zeigen. Fahrverbote lehnt der Metaller ab, die Blaue Plakette findet er aber als "bundesweites Steuerungsinstrument" gut für den Fall, dass es in Ballungsräumen trotz Updates "nicht ohne Einfahrbeschränkungen gehen" sollte. Dabei würde es bei einer Einführung der verschärften Umweltzonen in den hochbelasteten Innenstädten doch zu nichts anderem kommen können als zu Fahrverboten, weil alle Autos ohne Blaue Plakette draußen bleiben müssten.
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Philippe Ressing
am 10.09.2017