Pleiten, Pech und Pannen bekamen ein Millionenpublikum. Genüsslich spotteten die Satiriker Max Uthoff und Claus von Wagner in der jüngsten ZDF-"Anstalt" übers grüne Versagen beim Klimaschutz. "Baden-Württemberg hat im letzten Halbjahr nur ein neues Windrad gebaut", kritisierte ein junger Fridays-for-Future-Aktivist (von Wagner) den weißhaarigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Uthoff). "Sie haben starke Überzeugungen, aber es kommt halt immer etwas dazwischen. Zum Beispiel Windkraftgegner", stichelte der junge "FfF-Aktivist" unter Gelächter des Publikums.
Was als Spaß daher kommt, ist realer Ernst. Nicht nur im grün regierten Südwesten: Bundesweit bekämpfen Dutzende Verbände und rund 1000 Bürgervereine die Windenergie. Sobald Pläne für einen neuen Windpark bekannt werden, regt sich Widerstand. Die Argumente von Initiativen wie "Vernunftkraft", "Gegenwind" oder "Windwahn" gleichen sich. Glaubt man ihnen, dann bereichert sich eine "profitgierige Windkraftindustrie" auf Kosten aller, macht Menschen "krank durch Infraschall", zerstört intakte Wälder, verspargelt Landschaften und schreddert Vögel.
Objektives, etwa die strengen Auflagen bei Arten-, Natur- und Landschaftsschutz, bleibt auf der Strecke. Stattdessen haben Fakes und Verschwörungstheorien Hochkonjunktur. Windkraft leistet "nachweislich keinen Beitrag zum Klimaschutz", behaupten die Gegner beispielsweise. Tatsächlich vermieden laut Umweltbundesamt (UBA) erneuerbare Energien im Stromsektor im vergangenen Jahr insgesamt 144 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Allein die Windenergie ersparte dem Klima 76,3 Millionen Tonnen.
Genehmigte Windräder landen immer häufiger vor Gericht
Bislang begnügten sich organisierte Windkraftgegner mit Webseiten, Plakaten, Kundgebungen und einer Flut von Leserbriefen, Stimmung in ihrem Sinne zu machen. Seit kurzem schwappt zusätzlich eine Prozesswelle durchs Land: Immer mehr Windparks landen vor Gericht. Laut einer aktuellen Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) werden deutschlandweit derzeit mindestens 325 Windturbinen mit mehr als 1000 Megawatt (MW) Leistung (was der eines Atomkraftwerks entspricht) beklagt. Davon sind knapp 100 Anlagen bereits in Betrieb. Tatsächlich dürften noch mehr Turbinen vor dem Kadi stehen, da die Umfrage nur eine Stichprobe abdeckt.
Dennoch ist sie aufschlussreich. So steht Windenergie besonders in Bayern und Hessen im Fokus, wo fast jedes zweite genehmigte Windrad vor Gericht landet. Laut FA Wind sind die häufigsten Klagegründe im Artenschutz verortet. Bei der Hälfte aller betroffenen Windräder werden Verstöße gegen den Schutz von Vögeln und Fledermäusen angeführt. Die Umfrage verrät auch, wer die Klagehansel sind: Umwelt- und Naturschutzverbände. Sie prozessieren gegen 198 Anlagen. Zwar nennt die FA Wind keine Namen. Doch ist es ein offenes Geheimnis, dass der Naturschutzbund Deutschland (NABU) zahlreiche Klagen anführt. Allein gegen 93 Anlagen streite der Verband, der sich "zum Hauptkläger gegen neue Windparks in Deutschland entwickelt hat", kritisiert Andreas Lahme, Vizechef des Landesverbandes Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen, im Magazin "Klimareporter". Der NABU widerspricht. Man habe bundesweit nur 44 Klagen gegen Windparks in den vergangenen zehn Jahren eingereicht. Bei rund 9000 Anträgen für Windturbinen in dieser Zeit seien das nur etwa 0,5 Prozent. Von den Klagen sind 20 abgeschlossen, bei denen die Gerichte planungsrechtliche Fehler urteilten. 24 laufen noch.
Dabei holen andere auf. Laut FA Wind tritt ein bayerischer Naturschutzverband bei 37 Windenergieanlagen als Kläger auf – nach Kontext-Recherchen der "Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern" (VLAB). Eine in Rheinland-Pfalz ansässige Vereinigung, die "Naturschutz-Initiative" aus Quirnbach im Westerwald, klagt gegen 27 Windturbinen. 22 Windräder beklagt ein Verband in Niedersachsen. Vier weitere Verbände prozessieren gegen insgesamt 19 Windräder in drei Bundesländern.
Vor Gericht ziehen inzwischen auch Bürgerinitiativen: sie prozessieren aktuell gegen 47 Anlagen. Auffallend: Einige Verbände und Initiativen beklagen nicht nur Windräder in ihrem regionalen Umfeld, sondern greifen Windparks bundesweit an. Das bestätigt den Eindruck, dass die Bewegung inzwischen länderübergreifend tätig und gut vernetzt ist. "Uns stehen immer systematischer und professioneller auftretende Windkraftgegner gegenüber", sagt Christoph Zipf, Sprecher des Bundesverbands Windenergie (BWE).
Mit freundlicher Genehmigung Ihrer Umweltschutzbehörde
Klagen im Namen anderer sieht unser Rechtssystem eigentlich nicht vor. Eine Ausnahme ist die sogenannte Verbandsklage. Diese können Vereinigungen anstrengen, die nach Paragraf 3 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz als Umwelt- oder Naturschutzorganisation anerkannt sind. Die Prüfung entsprechender Anträge haben sich Bund und Länder aufgeteilt. Das Umweltbundesamt (UBA) ist zuständig für inländische Vereinigungen, die über ein Bundesland hinaus tätig sind. Die Landesbehörden prüfen Anträge von innerhalb eines Bundeslandes tätiger Organisationen. In Baden-Württemberg ist das Umwelt- und Energieministerium von Franz Untersteller (Grüne) zuständig.
34 Kommentare verfügbar
Kurt Werner
am 05.11.2019Zum Thema "selbsternannte Klimaretter..." in Deutschland gibt es das Recht auf freie Meinung. Was ist schlecht sich für den Erhalt des natürlichen Klimas einzusetzen?
Eigentlich kann zum Thema…