Es war eine spektakuläre und eine der am meisten besuchten Ausstellungen in der Architekturgalerie am Weißenhof: "Stuttgart reißt sich ab". Sie wurde 2016 gezeigt und mit der Unterzeile "Plädoyer für den Erhalt stadtbildprägender Gebäude" ergänzt (Kontext berichtete). Der furiose Erfolg der Ausstellung focht Entscheidungsträger in Stuttgart jedoch nicht an, denn in den Jahren danach wurde hier bedenkenlos weiter abgerissen: an der Stiftskirche ein elegantes Geschäftshaus aus dem Jahr 1954, am Rotebühlplatz das Eckgebäude von Kammerer und Belz aus dem Jahr 1978 – und vieles mehr.
Dabei müsste sich längst bis zum ignorantesten Politiker und zum ahnungslosesten Architekturbüro herumgesprochen haben, dass ökologische, baukulturelle und auch ökonomische Gründe strikt gegen Abrisse sprechen. Bemühungen, dieser Einsicht Nachdruck zu verleihen, mündeten vorläufig in einem "Abriss-Moratorium", abrissmoratorium.de das am 22. September 2022 an Bundesbauministerin Klara Geywitz gerichtet wurde. Statt immer wieder Abriss und Neubau wird darin "Erhalt, Sanierung, Umbau und Weiterbauen im Bestand" gefordert, und: "Jeder Abriss bedarf einer Genehmigung unter der Maßgabe des Gemeinwohls, also der Prüfung der sozialen und ökologischen Umweltwirkungen." Initiiert unter anderem vom Netzwerk Afa – Aktiv für Architektur, dem Bund Deutscher Architekten BDA und den Architects for Future, ist der Aufruf von überwältigend vielen fachlich kompetenten Persönlichkeiten unterzeichnet worden.
Abriss ist Zerstörung
Die Bundesstiftung Baukultur fordert in ihrem Bericht 2022/23 eine "Neue Umbaukultur", die Deutsche Umwelthilfe hat in einem Rechtsgutachten zur Umsetzung einer verpflichtenden Abrissgenehmigung geklärt, worauf es in Deutschland mit seinen 21,4 Millionen Gebäuden ankommt: dass "eine allgemeine Genehmigungspflicht für Gebäudeabrisse gekoppelt mit einer Analyse der Umwelt- und Klimawirkungen möglich und von den Bundesländern direkt umsetzbar ist. Mit der Verankerung einer solchen Genehmigung in den Landesbauordnungen können die Länder einen unmittelbaren Beitrag zu Klima- und Ressourcenschutz leisten".
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Peter Mielert
am 27.02.2023