Zum letzten Mal groß gefeiert, mit Beteiligung von Stadt und Deutscher Bahn, wurde der Stuttgarter Hauptbahnhof im Jahr 1987. Da war er 65 alt und quasi als Geburtstagsgeschenk wurde der vom Architekten Paul Bonatz entworfene Bau in jenem Jahr zum Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung erklärt. Das ist die höchste Denkmalschutzkategorie, in die auch die Weißenhofsiedlung eingestuft ist. Geholfen hat ihm das wenig. Im Zuge des Projekts Stuttgart 21 wurden erst seine beiden Seitenflügel abgerissen, 2010 der Nord-, 2012 dann der Südflügel, und im Augenblick wird sein Inneres entkernt. Ein Hotel der Kette "Me and All Hotels" soll hinein, vom ursprünglichen Charakter wird wenig bleiben (Kontext berichtete hier und hier).
Wie konnte es dazu kommen? Die baden-württembergische Landesverfassung steht einer solchen Amputation eigentlich entgegen, sollte man zumindest meinen angesichts deren Artikel 3c: " Die Landschaft sowie Denkmale der Kunst, der Geschichte und der Natur genießen öffentlichen Schutz und die Pflege des Staates und der Gemeinden."
Allerdings gibt es Möglichkeiten, dies zu umgehen, die hier auch genutzt wurden. Bemüht wurde etwa die Argumentation, es handele sich um eine Bahnbetriebsanlage der Deutschen Bahn, weswegen ein Landesgesetz – wie das Denkmalschutzgesetz – hier nicht anwendbar sei. Wobei dieser Argumentation entgegensteht, dass das Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs kein Teil der Bahnbetriebsanlage ist, wie Norbert Bongartz anmerkt, bis 2008 Oberkonservator beim Landesdenkmalamt.
Wenn das Denkmalschutzgesetz nicht wegen anderer Zuständigkeiten ausgehebelt ist, liegt die Entscheidungsbefugnis beim zuständigen Ministerium der Landesregierung. In diesem Falle dem Wirtschaftsministerium, das in Baden-Württemberg die oberste Denkmalschutzbehörde ist. Weisungsbefugt als höhere Denkmalschutzbehörden sind eine Stufe darunter auch die Regierungspräsidien (RP). Sowohl Wirtschaftsministerium als auch das RP Stuttgart wurden denn auch zugunsten von S 21 aktiv.
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bedellus
am 19.10.2022