Wie die Bahn das Prinzip der S-21-Finanzierung versteht, verrät ein Dokument vom 11. Februar 2000 aus dem Stuttgarter Rathaus: Die Bundesregierung und die Bahn machten die Entscheidung über Stuttgart 21 abhängig davon, dass es gelänge, "ein positives betriebswirtschaftliches Ergebnis abzusichern, indem die Risiken der Grundstückserlöse sowie aus Verfahrens- und Baukostenentwicklung auf die Vertragspartner Land, Region und Stadt abgewälzt werden." Unterzeichnet vom damaligen Stuttgarter OB Wolfgang Schuster (CDU), der darin auch einräumt, die Bahn habe sich trotz ihrer Forderung nach Abwälzung der Finanzierung geweigert, eine detaillierte Berechnung der Wirtschaftlichkeit vorzulegen (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik tod-oder-leben-954.html _blank internal-link-new-window>Kontext berichtete).
Nahverkehrsvertrag von 2003: völlig überteuert
Einer erfolgreichen Abwälzung stand dies freilich nicht im Weg. Schließlich soll der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn das Festhalten an S 21 im Jahr 2001 damit begründet haben, dass die Bahn dadurch ohne Ausschreibung den ganzen Nahverkehrsauftrag für Baden-Württemberg bekomme, so zumindest Thilo Sarrazin im Juni 2018 vor dem Verkehrsausschuss des Bundestags (<link https: www.kontextwochenzeitung.de politik kriminaltango-in-der-baugrube-5144.html _blank internal-link-new-window>Kontext berichtete). Und tatsächlich konnte sich Mehdorn, finster entschlossen, die Bahn an die Börse zu bringen, auf einen warmen Geldregen freuen. In dem <link file:44534>2003 abgeschlossenen Vertrag, auf Landesseite wohlwollend ausgehandelt von Verkehrsminister Ulrich Müller und seinem Staatssekretär, dem späteren Ministerpräsidenten Stefan Mappus (beide CDU), waren völlig überhöhte Preise für Nahverkehrskilometer festgeschrieben.
Wie groß die Summe war, die die Bahn zusätzlich einstrich, war lange unklar. Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) gab zwei Gutachten in Auftrag, um den Betrag genauer zu bestimmen: Beide kamen für die Laufzeit von 2003 bis 2016 auf eine "Überkompensation" zwischen 700 Millionen und 1,25 Milliarden Euro, so <link https: vm.baden-wuerttemberg.de de service presse pressemitteilung pid verkehrsministerium-stellt-ergebnisse-zweier-gutachten-zum-grossen-verkehrsvertrag-von-2003-vor _blank external-link-new-window>die 2015 vorgestellten Ergebnisse. Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), kam schon 2014 auf <link http: www.kopfbahnhof-21.de wp-content uploads vortrag-vcd-20-jahre-stuttgart-21-20-jahre-kreative-finanzierung.pdf _blank external-link-new-window>eine Milliarde zusätzlicher Kosten für das Land. Als "kaschierte Subvention" bezeichnete dies schon vor Jahren der Düsseldorfer Wettbewerbsrechtler Clemens Antweiler. Bislang blieb das allerdings ohne Folgen für die Bahn.
Der Anteil des Landes an Stuttgart 21 liegt also in Wahrheit eher bei rund zwei Milliarden Euro.
Eifriger Bahnbilanzen-Sanierer: Wolfgang Schuster
Noch eifriger darin, der Bahn öffentliche Gelder zuzuschustern, war allerdings der frühere Stuttgarter OB Wolfgang Schuster. Erinnerlich ist dabei noch der von ihm 2001 eingefädelte Deal, dass die Stadt Stuttgart der Bahn vorzeitig die Gleisflächen abkaufte – für rund 459 Millionen Euro. Und das, obwohl von Anfang an klar war, dass die Stadt die Flächen noch sehr lange nicht nutzen kann. Das Ganze ist also eher ein Darlehen an die Bahn, und zwar zu günstigen Konditionen: Der Bahn wurde bis 2020 ein umfassender Zinsverzicht eingeräumt, der sich mittlerweile auf rund 800 Millionen summiert hat. Das Grundstücksgeschäft hat die Stadt also eher 1,2 Milliarden Euro gekostet. Dass ab 2020 die Bahn der Stadt dafür, dass sie die Flächen immer noch nicht bebauen kann, jährlich 20 Millionen Euro zurücküberweist, ist da ein schwacher Trost. Zumal noch die Altlastensanierung ansteht. Die DB AG hat sich zwar verpflichtet, dafür 15 Millionen zu übernehmen, wie hoch die Kosten tatsächlich werden, weiß aber auch sie nicht; allerdings hatte die Bahn bis 2009 in ihren Bilanzen eine Rückstellung für die S-21-Altlastensanierung in Höhe von 600 Millionen Euro eingestellt. Seit 2010 trägt dieses Mehrkostenrisiko alleine die Stadt.
7 Kommentare verfügbar
Wolfgang Hoepfner
am 22.04.2019Hier wurde der DB für die S-Bahn 2009 für den S-Bahn-Verkehr 2013-2028 ein Vertrag "zugeschustert", der im Kern der Grund für die heutige miserable Leistungsqualität ist. Denn die dort…