Am 2. Juli konnte man auf der Titelseite der "Stuttgarter Zeitung" lesen, anstatt "eine rückwärtsgewandte Diskussion" in Sachen Stuttgart 21 zu führen, "sollte das Augenmerk endlich auf die Frage gerichtet werden, was über das Projekt hinaus für den Schienenverkehr in der Region getan werden muss." Der Autor des Beitrags kritisierte dabei nicht nur die Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21. Er hadert auch mit Bahnchef Richard Lutz. Dieser würde erst jetzt, Mitte Juli, einen "ersten Besuch" beim Bahnprojekt Stuttgart 21 absolvieren. Darüber hinaus sei er inzwischen "eingeschwenkt" auf die Position seines Vorgängers im Amt, Rüdiger Grube, wonach man sich "nach heutiger Erkenntnis nicht mehr an die Untertunnelung des Stuttgarter Bahnknotens machen" würde. Der StZ-Redakteur gibt sich zutiefst enttäuscht: "Rückenwind für das Projekt [...] sieht anders aus."
Nun unterlief Lutz zwar im März 2017 eine echte Freud'sche Fehlleistung, als er erklärte, zum S-21-Weiterbau "finster entschlossen" zu sein. Doch er konnte offensichtlich danach den einen und anderen klaren Gedanken fassen. Tatsächlich geht es hier nicht um eine "rückwärtsgewandte Diskussion". Mitte 2018 stehen wir in Sachen Stuttgart 21 in dreifacher Hinsicht vor einer einigermaßen neuen Situation.
Bahn wusste immer: S 21 bringt nicht mehr Kapazität
Andeutungen, S 21 sei unwirtschaftlich, gab es in den letzten zwei bis drei Jahren auch aus dem Mund von Volker Kefer, Bahninfrastrukturchef bis zum 31. Dezember 2016. In diesem Sinne äußerte sich auch Rüdiger Grube, Bahnchef bis zum 30. Januar 2017. Doch Richard Lutz´ Erklärung im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags am 18. April 2018 ist etwas ganz anderes. An diesem Tag sagte Lutz nicht nur, S 21 sei "komplett unwirtschaftlich". Er trug vor, dass das Projekt der Bahn einen Verlust in Höhe von 2,227 Milliarden Euro bescheren würde. Das ist einerseits ein extrem hoher Betrag, der aktuell zwei Jahresgewinnen des Bahnkonzerns entspricht. Andererseits ist der Betrag krass untertrieben. Denn wenn S 21 "unwirtschaftlich" ist, dann gibt es Jahr für Jahr Extra-Kosten, also deftige Gewinnreduzierungen oder zusätzliche Beiträge für Verluste. Lutz hat allerdings nie erläutert, wie er auf die genannte Verlustzahl kommt. Sie ist ähnlich präzise wie die Zahl von "4,807 Millionen DM", also rund 2,45 Milliarden Euro, die laut Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 1995 Stuttgart 21 kosten würde.
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Schwa be
am 10.07.2018