
Kennt viele Finten: Bahnchef Richard Lutz. Foto: Wikimedia/H-stt, CC BY-SA 4.0
Sehr geehrter Herr Lutz,
am Mittwoch, den 18. April, waren Sie als Bahnchef Gast im Verkehrsausschuss des Bundestags. Dort genossen Sie nicht nur die alte Vasallentreue der CDU/CSU und FDP-Abgeordneten. Der neue grüne Ausschuss-Vorsitzende Cem Özdemir lobte Sie für "die große Offenheit". Und der Grünen-MdB Matthias Gastel erklärte groteskerweise jetzt, angesichts Ihrer Kapitulation in Sachen Stuttgart 21, Ziel der Grünen sei "nicht, das Projekt zu stoppen, sondern konstruktiv an Verbesserungen mitzuwirken".
Ich spreche bewusst von "Kapitulation in Sachen Stuttgart 21". Denn auf dieser Sitzung sagten Sie nicht nur, dass Stuttgart 21 betriebswirtschaftlich gesehen ein Verlustgeschäft sei. Sie nannten dafür erstmals auch konkrete Zahlen. Und wieder weiß man es auf die letzte Millionen-Euro-Stelle genau. Der mit Stuttgart 21 produzierte Verlust beläuft sich nach Ihren Angaben auf "2,228 Milliarden Euro". Sie betonten dabei, dass "die Belastungen vor Baubeginn noch nicht bekannt" gewesen seien. Man habe 2009 nicht gewusst, dass die S-21-Kosten derart ansteigen würden. Denn – so offensichtlich dort Ihre Worte – "sonst hätten wir das Projekt nicht gemacht".
Das ist nachweisbar falsch. Eine solche Aussage aus Ihrem Mund, der Sie bei Projektbeginn oberster Controller waren, ist offensichtlich unwahr. Sie hatten bei allen vier großen Stuttgart-21-Preissteigerungen höchst intime Kenntnisse, die darauf hinausliefen, dass die offiziell nach außen gegebenen Zahlen rosa gefärbt waren. Sie wussten genau, dass die dem Finanzierungsvertrag von April 2009 zugrunde liegenden Zahlen eindeutig veraltet waren. Sie kannten aus dem Effeff den Bericht des Bundesrechnungshofs aus dem vorausgegangen Jahr 2008. In diesem stand, dass das Projekt gegenüber der Bahn-Darstellung von lediglich 3,1 Milliarden Euro Gesamtkosten schon damals mit "deutlich über 5,3 Milliarden Euro" einzuschätzen war.
Viel zu hohe Kosten längst bekannt
Und Sie kannten spätestens seit Anfang 2015 auch den neuen Prüfbericht des Bundesrechnungshofs, der dann 2016 dem Bundestag als "streng vertraulich" überstellt und der doch publik wurde. In diesem werden die gesamten Stuttgart-21-Kosten auf bis zu 10 Milliarden Euro hochgerechnet.
Doch im Berliner Verkehrsausschuss, drei Jahre nach Ihrer ersten Einsicht in diesen Bundesrechnungshof-Prüfbericht, praktizieren Sie erneut die Salami-Taktik, sind Sie wieder nur bereit, Kosten in Höhe von maximal 8,2 Milliarden Euro einzugestehen. Erneut verschweigen Sie die Erkenntnisse der obersten, im Grundgesetz verankerten Kontrollbehörde.
Bilanz: Die These, der dramatische Kostenanstieg von Stuttgart 21 sei "nicht erkennbar" gewesen, ist unhaltbar. Er war seit einem Jahrzehnt erkennbar. Und Sie hatten davon immer im Detail Kenntnis.
10 Kommentare verfügbar
chr/ christiane
am 30.04.2018Ruck-Zuck wäre in Stuttgart der Dieselskandal keiner mehr. Die Autobauer könnten als Dank ein paar Milliarden spenden.
Überflüssige…