Dass Sie sich nach meinem letzten Kommentar für die Wirtschaftsseiten des Südkurier dann doch noch zu einem Gruß und Abschiedswort aufgeschwungen haben, fand ich fast schon rührend: "...Austausch mit Ihnen auch auf der persönlichen Ebene immer sehr angenehm." Auch wenn ich das von unserem letzten Telefonat im April, bei dem wir die Beendigung meiner Kolumnistentätigkeit besprochen haben, anders in Erinnerung habe. Da war die Rede davon, ich hätte mich auch schon abfällig über die Zeitung geäußert und meine Beiträge seien in der Redaktion kaum noch durchsetzbar.
Zu ersterem kann ich nur sagen, gehen Sie einmal in eine beliebige Weinstube oder ein Restaurant. Da können Sie hören, wie die Leute über Ihre Zeitung sprechen, die die meisten ja nur noch wegen der Lokalnachrichten lesen (und auch die gehen den Dingen selten genug auf den Grund). Zum anderen kann ein vertragsloser Kolumnist mit maximal zwei Beiträgen pro Monat kaum zur Linientreue verdonnert werden. Dass meine Kommentare intern zunehmend auf Ablehnung stossen, kann ich sogar nachvollziehen: Der Mainstream, dem sich der Südkurier verpflichtet fühlt, rückt ja zusehends nach rechts.
Als mich Ihr Vorgänger Peter Ludäscher vor zehn Jahren angeheuert hat, standen wir noch ganz am Beginn der Finanz-, Immobilien- und folgenden Euro-Krise. Naturgemäss haben sich meine Beiträge mit dieser Krise und ihren Auswirkungen auf Staaten und Bürger beschäftigt. Das hat zu zahlreichen Leserreaktionen geführt, ob in der Weinstube oder auf der Strasse, in Zuschriften, Leserbriefen oder bei Veranstaltungen, zu denen ich eingeladen war.
Nun hat mich Peter Ludäscher, obwohl liberal und sogar Personalrat (was von der Geschäftsleitung Ihres Hauses offenbar gar nicht gerne gesehen wurde), der den Südkurier bestens kannte, nicht etwa wegen meiner blauen Augen angestellt. Er wollte offenbar, dass potenzielle Leser, die von der "alternativlosen" Berichterstattung und "Analyse" Ihres Blatts nicht angetan waren, nicht völlig abgeschreckt wurden. Das hat er geschafft, das hat häufig zu Reaktionen geführt wie: So etwas hätte ich dieser Zeitung nie und nimmer zugetraut.
Ich, der ich kein gelernter Ökonom bin, aber als "Achtundsechziger" schon in jungen Jahren an Makroökonomie interessiert war, habe meine Kolumnen gerne geschrieben, weil ich gemerkt habe, dass sie ein Echo auslösen. Allerdings bin ich nie der Illusion verfallen, eine Mehrheit der nach wie vor strukturkonservativen Leserschaft der Zeitung überzeugen zu können. Aber ein klein wenig zum Entstehen einer Zivilgesellschaft beizutragen, die sich etwa in der grossen Anti-TTIP-Demonstration in Berlin im Oktober 2015 mit 250 000 Teilnehmern manifestierte, war für mich als Schriftsteller, der nicht unbedingt mit Massenbewegungen oder direkter Aufklärung zu tun hat, ein Gewinn.
Nun haben Ihre Chefs, haben Sie entschieden, dass es Ihnen auf die mainstreamdissidenten Leser nicht mehr ankommt. Ihr Kerngeschäft ist die Werbung, für Anzeigen musste auch meine Kolumne mehrmals weichen. Profit vor Inhalt. Zu denken geben sollte Ihnen, sollte uns etwa die Aussage eines Fernfahrers in der kürzlich ausgestrahlten ZDF - Reportage "Was für mich deutsch ist". Der Mann sagte, natürlich habe auch er Angst vor dem Verlust seines Arbeitsplatzes, Hartz IV sei dazu da, die Menschen auf Trab zu halten und den Leitmedien traue er nicht, seine Informationen beziehe er aus dem Internet und der deutschen Ausgabe von "Russia today".
Das hat weniger mit "Fake News" oder der Unübersichtlichkeit des Internet zu tun, sondern mehr mit dem Verfall des Qualitätsjournalismus, den der Philosoph Jürgen Habermas jüngst beklagt hat. Die immer selben Kommentatoren und Leitartikler, die Teil der "liberalen" Eliten sind, erklären nach den immer gleichen Mustern unsere alternativlose Gesellschaft und alle anderen käuen sie wieder. Dabei wäre es nach der Krise von 2007/2008 endlich an der Zeit gewesen zu erkennen und darzutun, dass unsere gesellschaftlichen Bedingungen keineswegs alternativlos sind, sondern nach Veränderung und Verbesserung geradezu schreien. Ihnen persönlich wünsche ich Glück und Gesundheit.
4 Kommentare verfügbar
Schwa be
am 07.07.2018Das wird Walther Rosenberger und andere sogenannte "Führungskräfte" nicht tun! Nicht deshalb jedenfalls um sich kritisch mit ihre (opportunistischen) Arbeit auseinanderzusetzen. Opportunistische journalistische Arbeit (ab der untersten Führungsebene) bedeutet in der…