"Wir haben auch unter Holtzbrinck schon immer mit wenig Ressourcen gearbeitet. Mehr Redakteure einsparen geht nicht, ohne die Qualität des Blattes zu gefährden", heißt es aus der Redaktion. Weniger Qualität würde der Leser nicht hinnehmen, warnen die Journalisten. Dabei reißen die Hiobsbotschaft nicht ab. So wurde vor kurzem bekannt, dass die Augsburger ein Sparmodell der Essener Funke Mediengruppe kopieren wollen. So plant die Mediengruppe Pressedruck, in Schwaben und Oberbayern künftig auf eigene Geschäftsstellen zu verzichten. Anzeigenannahme, Abobetreuung und Produktverkauf sollen in Buchhandlungen oder Reisebüros angesiedelt werden, die Lokalredaktionen jedoch unangetastet bleiben. Wie viele Arbeitsplätze wegfallen, ist noch unklar. "Es ist eine Frage der Zeit, bis sich Holtzbrinck von seinen restlichen Anteilen trennt und das Augsburger Spardiktat auch beim 'Südkurier' voll durchschlägt", heißt es in Konstanz.
Schon vor dem Besitzerwechsel war es im "Südkurier"-Medienhaus hoch hergegangen. Knall auf Fall hatte im Januar 2010 der langjährige Chefredakteur Thomas Satinsky das Blatt verlassen. Satinsky ging als geschäftsführender Verleger zurück zur "Pforzheimer Zeitung", wo er von 1998 bis 2005 bereits als Redaktionschef tätig gewesen war. Zunächst präsentierte Geschäftsführer Wiesner im Juni 2010 André Uzulis als neuen Blattchef. "Scharfrichter beim 'Südkurier'?", titelte das "SeeMoz"-Magazin daraufhin. Bis 2009 war Uzulis Chefredakteur des Neubrandenburger "Nordkuriers". "Während seiner Amtszeit verminderte sich die dessen Belegschaft um 15 Prozent. Und er initiierte Knebelverträge für freie Journalisten mit empfindlich dünneren Honoraren", berichtete "SeeMoz".
Doch lange dauerte die Ära Uzulis nicht. "Kaum hatte man sich an seinen Namen gewöhnt, war er wieder weg", spötteln Redakteure über den schnellen Abgang vier Monate nach Amtsantritt. "Die Chemie zwischen dem 45-Jährigen und Geschäftsführer Rainer Wiesner hat nicht gestimmt", zitierte "Meedia" Stimmen aus der Chefetage. Uzulis heuerte daraufhin als Auslandschef bei der Nachrichtenagentur dapd an. Nach deren Pleite wechselte er im Dezember 2012 als "Direktor Kommunikation und Medien" zum Bistum Trier. Das Redaktionsruder in Konstanz übernahm die bisherige Nummer zwei, Stefan Lutz.
Trophäen nützen nichts gegen Leserschwund
Mit Lutz an der Spitze heimste der "Südkurier" namhafte Auszeichnungen ein. 2010 wurde ihm der Deutsche Lokaljournalistenpreis der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung verliehen. Mit Sonderseiten und einem großen Fest im Konstanzer Konzil feierten Verlag und Chefredaktion die Auszeichnung. Aktuell bekam das Blatt denselben Preis auch 2013. Mehrfach gewann der "Südkurier" auch einen European Newspaper Award. Stolz werden die Auszeichnungen im täglichen Impressum aufgeführt. "Unser Aussehen, weniger die Inhalte haben gewonnen", kommentieren dies Redakteure, denen derartige Selbstbeweihräucherung aufstößt.
Die Trophäen verhindern nicht, dass der "Südkurier" stetig Leser verliert. So musste der Verlag zwischen 2005 und 2010 einen Auflagenrückgang von sieben Prozent verkraften. Zuletzt hielt sich der jährliche Aboschwund mit einem Prozent in Grenzen. Wie viel das Anzeigengeschäft noch zum Umsatz bringt, will der Verlag auf Kontext-Anfrage nicht verraten. Es dürfte jedoch nicht nur wegen der digitalen Konkurrenz immer weniger werden. Nachteilig wirkt sich die Nähe zur Schweiz aus. So kann sich der Einzelhandel im auflagenstarken Konstanz derzeit teure Zeitungsanzeigen sparen: die benachbarten Eidgenossen stürmen wegen des Franken-Wechselkurses von allein über die Grenze.
Mit neuen Geschäftsmodellen versucht der Verlag neue Einnahmenquellen anzuzapfen. Mittlerweile arbeiten in der Zentralredaktion sieben Online-Redakteure für "suedkurier.de", das monatlich 2,6 Millionen Besuche hat. Im Juni 2013 startete das kostenpflichtige Online-Angebot "SKplus". Registrierte Mitglieder haben Zugriff auf Nachrichten, Hintergründe und exklusive Artikel. Sie kommen auch in den Genuss von Live-Berichterstattungen aus der Region und wöchentlichen Redaktions-Chats. Print-Abonnenten haben für 99 Cent im Monat darauf Zugriff, Neukunden bezahlen 9,90 Euro. Knapp drei Wochen nach dem Start vermeldete der Verlag bereits über 1000 zahlende SKplus-Mitglieder. Wie viele davon tatsächlich Neukunden sind, verriet das Medienhaus nicht.
Neue Geschäftsmodelle sollen Umsätze bringen
Ein Jahr zuvor hatte der "Südkurier" mit einem ungeschickt platzierten Bezahlschranken-Test noch Schiffbruch erlitten, wie der Blog "See-online" süffisant berichtete: "Ausgerechnet während des OB-Wahlkampfes 2012 bot die Heimatzeitung ihren Online-Lesern kostenpflichtige Inhalte an. Wer Beiträge über die OB-Wahl lesen wollte, sollte zahlen", was aber offenbar nur wenige wollten. Beim zweiten Anlauf klappt es nun offenbar besser.
Neben der Tageszeitung mit Online-Portal führt das Südkurier-Medienhaus weitere Geschäftsbereiche im Portfolio. Im Jahr 1999 wurde die psg Presse- und Verteilservice Baden-Württemberg integriert. Im Jahr 2000 gründeten die Konstanzer ein Joint Venture mit dem privaten Briefdienst arriva, der nach eigenen Angaben heute der größte Briefdienstleister in Baden-Württemberg ist. Nach der Jahrtausendwende erschienen neue publizistische Produkte wie Regional- und Tourismusmagazine unter dem Dach des Medienhauses. Mitte 2008 übernahmen die Konstanzer die Karlsruher Internet-Zeitung ka-news.de. Neben dem Zeitungsportal betreibt das Medienhaus mit Regiostars, JOBS und bodenseeferien.de weitere Online-Portale. In den Fokus nahmen die Konstanzer zuletzt auch einsame Herzen. Mitte Juni starteten der "Südkurier" das regionale Partnerportal www.heimatdate.de. Bereits zum Start waren nach Verlagsangaben mehr als 3000 Nutzer auf der Plattform registriert, die sich speziell an Singles im Verbreitungsgebiet des gedruckten "Südkuriers" richtet.
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Gernot Riebe senior
am 16.11.2014