Der Kampf um das größte Wassernetz im Südwesten der Republik geht weiter. Im Ring gegenüber stehen sich die Landeshaupstadt Stuttgart und der drittgrößte Energieversorger Deutschlands, die Energie Baden-Württemberg (EnBW). Erstere will das Netz aus 2500 Kilometer langen Rohrleitungen, Hochbehältern und Pumpstationen zum Jahreswechsel übernehmen und betreiben, der Widersacher will es nicht herausgeben. Die EnBW pokert und spielt auf Zeit. "Die Stadt Stuttgart geht davon aus, einen Übernahmeanspruch zu haben, ohne diesen bisher verbindlich gegenüber der EnBW geltend gemacht zu haben", schreibt der Konzern in seinem jüngsten <link http: www.enbw.com media investoren docs news-und-publikationen halbjahresfinanzbericht-januar-juni-2013.pdf _blank>Halbjahresfinanzbericht vom Juni dieses Jahres. Und weiter: "Die Gespräche mit der EnBW waren seitens der Stadt Stuttgart längere Zeit ausgesetzt, wurden jedoch im Frühjahr 2013 wieder konstruktiv aufgenommen." Irgendetwas kann hier nicht stimmen.
Denn trotz angeblich konstruktiver Gespräche treffen sich die beiden Widersacher demnächst vor Gericht. Im Juni reichte die Stadt Klage auf Herausgabe des Wassernetzes gegen die EnBW ein. Ein außergewöhnlicher Prozess: Vor dem Landgericht Stuttgart kämpft die größte Kommune des Landes gegen einen milliardenschweren Großkonzern, der gemeinsam dem Land und – über die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke – mehreren Landkreisen und Gemeinden gehört.
Wie so oft geht es ums Geld. Um viel Geld. Beide Parteien bewerten das Wassernetz und damit dessen Preis höchst unterschiedlich. Laut EnBW sind Rohre und Anlagen zwischen 600 und 750 Millionen Euro wert. Dabei hatte der Konzern drei Jahre zuvor selbst noch mit 160 Millionen gerechnet. Damals wollte die Stadt mit der EnBW ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, an dem beide Seiten zu je 50 Prozent beteiligt gewesen wären. Ein Bürgerbegehren des Stuttgarter Wasserforums machte dem einen Strich durch die Rechnung. 27 000 Bürger forderten mit ihrer Unterschrift den vollständigen Übergang des Netzes in kommunale Hände, wenn die Konzession zum 31. Dezember 2013 ausläuft. Im Juni 2010 folgte der Gemeinderat dem Bürgerbegehren mit großer Mehrheit. Die EnBW versicherte, diesen Beschluss zu akzeptieren. Aber eben nur gegen viel Geld.
Mit der Bewertung hat die EnBW die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Cooper (PWC) beauftragt, "auf der Grundlage des Sachzeitwerts des Wassernetzes und der betriebsnotwendigen Infrastruktur, dem Buchwert der Grundstücke sowie der Anteile an den Zweckverbänden", wie es bereits 2009 in der später gekippten <link http: www.kommunale-stadtwerke.de fileadmin user_upload pdfs stuttgart gemeinderat grdrs _blank>Grundsatzvereinbarung heißt: "Der Gesamtwert beträgt nach vorläufigen Ermittlungen der EnBW rund 160 Mio. EUR."
In der Hitze des Gefechts um Hunderte Millionen Euro verschätzt?
Heute sagt die EnBW, sie habe sich damals in der Hitze des Gefechts grob verschätzt. Die Stadt geht allerdings davon aus, dass die genannte Zahl letztlich auf dem Ertragswert beruht, der sich auf den Verkauf der Neckarwerke Stuttgart (NWS) an die EnBW im Jahr 2002 bezieht. 2,35 Milliarden Euro hatte der Konzern damals für die Übernahme des städtischen Energieversorgers bezahlt, inklusive Wasserversorgungsnetz. Heute gibt die EnBW an, den ertragswertigen Preis für die Stuttgarter Wasserversorgung nicht mehr rekonstruieren zu können. Kann es sein, dass ein Unternehmen, das wirtschaftlich handelt und behauptet, heute im Interesse der Aktionäre einen hohen Verkaufspreis verlangen zu müssen, seinerzeit überhaupt keine Bewertung vorgenommen hat?
2002 wurde jedenfalls der Ertragswert in Rechnung gestellt, wie aus der Antwort von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster auf eine Anfrage im Gemeinderat im Mai zwei Jahre später hervorgeht: "Die Bewertung der NWS-Anteile erfolgte durch ein Gutachten auf Grundlage des Ertragswertverfahrens." Der Ertragswert bemisst sich daran, was der Betrieb abwirft. Eine Kommune ist jedoch an das Kommunalabgabengesetz gebunden und kann die Gebühren ebenso wenig unbegrenzt erhöhen wie ein privater Anbieter das Entgelt, da er es sonst er es mit dem Kartellamt zu tun bekommt. Genau deswegen war beim Verkauf 2002 der Ertragswert zugrunde gelegt worden.
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energie0711
am 13.10.2013