Bestätigt ist dagegen die Existenz jenes Informanten, der am Nachmittag des Tattags von einem LfV-Führungsbeamten in Heilbronn aufgesucht worden war. Den Sachverhalt hatte der frühere LfV-Präsident Johannes Schmalzl 2012 vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin geschildert. Laut Schmalzl soll sich der Beamte gegen 15 Uhr in Stuttgart auf den Weg nach Heilbronn gemacht haben, um dort den Informanten aus dem islamistischen Bereich zu treffen. Offenbar wimmelte es am Mordtag nur so von V-Leuten in Heilbronn. Insgesamt haben sich mindestens fünf Informanten von Polizei und Verfassungsschutz sowie mindestens ein LfV-Führer um den bis heute ungeklärten Mordfall herum bewegt.
Doch damit nicht genug. Auch Vertreter US-amerikanischer Sicherheitskräfte waren damals in Heilbronn unterwegs. Ein Fahrzeug der Special Forces Group wurde auf der Autobahn vor Heilbronn geblitzt. Diese Militäreinheit ist in Böblingen stationiert, wo auch die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) der baden-württembergischen Polizei ihren Sitz hat, zu der wiederum die ermordete Polizistin Kiesewetter und ihr schwer verletzter Kollege Arnold gehörten. Und schließlich: Nicht aufgeklärt, aber auch nicht widerlegt, ist bis heute die mögliche Anwesenheit von FBI-Männern.
Waren alle diese Personen aus dem Sicherheitsapparat Teil einer größeren Operation an dem Tag in Heilbronn? Und wem hätte die gegolten?
Kontext hat am 17. Juli die insgesamt 14 Phantombilder von Heilbronn veröffentlicht: eine Frau und zwölf verschiedene Männer. Von einem Mann wurden zwei Bilder gezeichnet. Es könnten Täter sein oder selber Zeugen. Keines der Bilder zeigt die NSU-Mitglieder Böhnhardt und Mundlos, die die Bundesanwaltschaft als Alleintäter von Heilbronn bewertet.
Ob mithilfe der Phantombilder, die auch andere Medien veröffentlichten, Hinweise bei den Behörden eingingen, ist unbekannt. Polizei und Staatsanwaltschaft verweisen auf den Generalbundesanwalt in Karlsruhe. Der antwortet seit Monaten mit derselben Formel, dass „… Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den Mordanschlag auf die beiden Polizeibeamten ohne Mithilfe ortskundiger Dritter verübt haben". Und: "Auskünfte zu Einzelheiten der Ermittlungen können mit Blick auf die laufende Hauptverhandlung in München nicht erteilt werden."
Keine einzige Reaktion auf die Phantombilder
Und obwohl die Karlsruher Behörde erklärt, sie würde "auch weiterhin allen Hinweisen nachgehen", bleiben Zweifel, ob im Mordfall Heilbronn tatsächlich rückhaltlos ermittelt wird. Obwohl das "Haller Tagblatt" sowie die ehemalige V-Frau Krokus des LfV Ähnlichkeiten von drei Phantombildern mit Aktivisten der NPD feststellten, gab es keine enstprechenden Ermittlungen. Die "Heilbronner Stimme" berichtete vor Kurzem, dass ein 70-jähriger Mann am Tattag in der Nähe der Theresienwiese Uwe Mundlos gesehen haben will – trotzdem wurde der Zeuge bis heute nicht vernommen.
Der leitende Staatsanwalt von Heilbronn, Christoph Meyer-Manoras, erklärt gegenüber Kontext immerhin, seine Behörde habe keine einzige Reaktion zu den Phantombildern erfahren. Weitere Auskünfte gibt er nicht. Der Heilbronner Mord sei nicht mehr ihr Fall. Meyer-Manoras kritisiert die Veröffentlichung der Bilder.
Die Sonderkommission Parkplatz der Kriminalpolizei wollte insgesamt drei der Phantombilder für die Fahndung freigeben: Bild 9, das von V-Person 1749 stammt, Bild 10, das einen Mann zeigt, den ein Ehepaar über eine Wiese rennen sah, sowie Bild 14, das nach Angaben des verletzten Polizeibeamten erstellt wurde. Die Veröffentlichung scheiterte am Veto von Staatsanwalt Meyer-Manoras. Den Zeugen VP 1749 erklärte er schlicht für unglaubwürdig. Und dann unternahm der Beamte noch einen völlig ungewöhnlichen Schritt: An den offiziellen Ermittlungen vorbei traf er sich mit dem Anschlagsopfer Arnold. Die Soko sollte davon nichts erfahren.
Die Rolle, die der Erste Staatsanwalt Meyer-Manoras bei den Heilbronn-Ermittlungen bis heute spielt, wird immer fragwürdiger. Er verhinderte die Verwendung von Phantombildern für die Fahndung. Er verhinderte die Sichtung der privaten E-Mails der getöteten Polizistin Kiesewetter. Er verbreitete, der verletzte Polizeibeamte könne sich an nichts mehr erinnern, obwohl das Gegenteil der Fall ist. Und er täuschte den NSU-Untersuchungsausschuss in Berlin.
Die Zeugin W. hatte ausgesagt, Schüsse gehört und kurz darauf am Eingang zur Theresienwiese einen blutverschmierten Mann in ein Auto einsteigen gesehen zu haben. Phantombilder 3 und 4. Vor dem Ausschuss in Berlin sagte Meyer-Manoras, die Rekonstruktion habe ergeben, dass der zeitliche Abstand zwischen den Schüssen und dem Auftauchen des Mannes nicht ausreiche, um den ganzen Festplatz zu überqueren, an dessen oberen Ende das Trafohaus steht, wo der Überfall stattfand. Er qualifizierte die Zeugin ab. Doch der Staatsanwalt stellte die Ermittlungsergebnisse gegenüber den Abgeordneten nicht korrekt dar. Die Kriminalisten hatten nämlich festgestellt, dass die Zeugin W. möglicherweise nicht Schüsse, sondern zerplatzende Luftballons des Festbetriebs gehört hat. Damit bleibt der Wert ihrer Beobachtung erhalten. Meyer-Manoras hat das verschleiert. Soll nicht sein, was nicht sein darf: dass jemand außer Böhnhardt und Mundlos an dem Mord beteiligt war? Dann müsste man nämlich weiter nach Tätern, Helfern und möglichen Auftraggebern suchen – auch in den Reihen der Sicherheitsbehörden.
5 Kommentare verfügbar
Jens Schneider
am 13.10.2013Mal im Ernst, die Personenvergleiche sind wenig hilfreich. Einzig, das Bild aus dem Gedächtnis von Arnold erinnert tatsächlich an Mevlüt Kar. Aber auch das ist schwer zu beurteilen.
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