Manfred Leger gab sich erleichtert. "Es ist ein großer Gewinn für die Sicherheit und Ästhetik", ließ der Vorsitzende der Geschäftsführung der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH Ende März per Pressemitteilung verbreiten, nachdem das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) grünes Licht für eines der zentralen Elemente im Rettungskonzept des neuen Tiefbahnhofs gegeben hatte. Zwei Jahre lang hatten die Beamten der in Köln sitzenden Behörde auf Antrag der Bahn darüber gebrütet, <link https: www.kontextwochenzeitung.de politik fluchtweg-verbaut-3191.html internal-link-new-window>ob die geplanten Fluchttreppenhäuser an die jeweiligen Bahnsteigenden verschoben werden dürfen. Erst Anfang 2015 hatten die Aufseher noch andere Pläne des Staatskonzerns für die Entfluchtung des unterirdischen Bauwerks abgesegnet, die Rettungstreppen in den Bahnsteigmitten vorgesehen hatten. Kaum ein halbes Jahr nach deren Genehmigung hatte die Projektgesellschaft nach heftiger öffentlicher Kritik einen Rückzieher gemacht, und den nun genehmigten 18. Änderungsantrag gestellt. "Die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamts nach einem langen und intensiven Prüfprozess freut uns sehr", beschönigte Leger das selbstverschuldete planerische Hin und Her.
Vielleicht hat sich der oberste S-21-Manager zu früh gefreut. Denn inzwischen ging beim Verwaltungsgerichtshof in Mannheim eine Klage gegen den EBA-Beschluss ein. Das Besondere an dem jüngsten von inzwischen zahlreichen juristischen Verfahren im Zuge von Stuttgart 21: Als Kläger gegen die behördliche Genehmigung neuer Fluchtwege tritt weder eine mächtige Naturschutzorganisation noch ein einflussreicher Behindertenverband auf. Vielmehr strengte ein im engeren juristischen Sinne nicht "unmittelbar Betroffener" das Verfahren gegen die Bundesbehörde an: Hans Heydemann, ein als umtriebiger S-21-Gegner bekannter pensionierter Ingenieur aus Stuttgart.
Das EBA habe kritische Fragen ignoriert, so der Vorwurf
"Wenn es zu einem Brandereignis im neuen Tiefbahnhof kommt, kann auch ich als Bahnreisender durchaus betroffen sein", argumentiert Heydemann, warum er sich für uneingeschränkt klageberechtigt hält. Diese Meinung teilen offenbar auch die obersten Verwaltungsrichter des Landes. Der Gerichtshof bestätigte den Eingang der Klage und setzte eine Frist bis Ende Mai, eine Klagebegründung nachzureichen. Zudem übermittelte es einen ersten Kostenbescheid. "Als Streitwert wurden 15 000 Euro festgesetzt", erwähnt Heydemann, dass das Gericht der Anfechtung eine große Bedeutung zumisst. Üblich ist in derartigen Verfahren nur ein Drittel der Summe.
Die Klagebegründung ist ein langer Schriftsatz geworden. "Wir legen dem Gericht alle Mängel im Brandschutz- und Rettungskonzept detailliert dar", erläutert Heydemann. Denn für ihn hat die Aufsichtsbehörde zahlreiche kritische Fragen, wie die Sicherheit von bis zu 16 000 Menschen im "Ereignisfall" im riesigen U-Bahnhof zu gewährleisten ist, schlicht ignoriert oder offen gelassen. "Der eigentliche Brandschutz mit den dafür wesentlichen Nachweisen der sicheren Evakuierung sowie der Rauchfreihaltung der Flucht- und Rettungswege selber ist auf die spätere Ausführungsplanung und auf die noch spätere Inbetriebnahme-Genehmigung verschoben worden", nennt er eine Klagebegründung.
Zudem seien die umfangreichen Bedenken der Stuttgarter Branddirektion und des Regierungspräsidiums nicht ausgeräumt worden. "Die Entscheidung über den Brandschutz und damit über die Genehmigungsfähigkeit des Tiefbahnhofes wurde erneut vertagt", kritisiert Heydemann das EBA. Damit lasse die Aufsichtsbehörde zu, dass die Bahn noch mehr Geld in einen mangelhaften Tiefbahnhof investiert. Es bleibe offen, ob und wie dieser später für viel weiteres Geld betriebstauglich hergerichtet werden kann. Mit der Begründung, dass die grundsätzliche Machbarkeit des Vorhabens gegeben sei, habe es sich die Behörde fahrlässig viel zu einfach gemacht. "Nach Fertigstellung von Stuttgart 21 droht ein jahrelanger Stillstand wie beim Berliner Großflughafen BER", ist sich Heydemann sicher. "Wie kann man das als 'großartige Lösung des Brandschutzes' im dem angeblich modernsten Bahnhof Europas verkaufen?"
1 Kommentar verfügbar
Peter Kurtenacker
am 30.05.2018Das ist einer der Hauptfehler vieler Gegner.
Brandschutz und Fluchtwege sind für die EBA und DB getrennte Vorgänge.
Fluchtwege sind die 18.Planänderung, Brandschutz kommt erst noch.
Teilweise sind hier sogar in den Beschlüssen…