Von keinem der für Kommunikation zuständigen Mitarbeiter des Bahnprojekts war am Dienstag Auskunft über den Stand der Planungen zu bekommen. Die "Stuttgarter Nachrichten" hatten berichtet, dass der Bau der dunklen, eckigen Kästen, als die die Fluchtwege in vielen Planskizzen des Tiefbahnhofs aufgetaucht waren, alles andere als sicher sei. Damit stünde das Konzept für die Rettung von den Bahnsteigen, beispielsweise im Brandfall, wieder komplett in den Sternen.
Schon seit einigen Wochen geistern Gerüchte durch die Stadt, dass die Verantwortlichen die Treppenhäuser in Richtung Bahnsteigende schieben wollen, was allerdings komplett neu genehmigt werden müsste. Im Netz sind ohnehin Vergleiche mit dem Berliner Hauptstadtflughafen BER an der Tagesordnung. Nicht zuletzt weil Experten die sogenannte Entfluchtung schon mit den geplanten Treppenhäusern nicht für realistisch halten. "Es brennt beim Brandschutz", schrieb Kontext-Autor Jürgen Lessat im vergangenen März.
Der Schlichterspruch interessiert nicht mehr
Ganz ohne die Treppenhäuser fiele die Bahn jedenfalls auf den Stand vor der Schlichtung zurück: Vor fünf Jahren war im Stuttgarter Rathaus minutiös nachgewiesen worden, wie unrealistisch alle bis dahin erarbeiteten Konzepte für den Katastrophenfall waren. Heiner Geißler hatte in Punkt fünf der von allen Beteiligten – von Hannes Rockenbauch bis Volker Kefer – akzeptierten Empfehlungen seine ohnehin weit gefasste Konsequenz so formuliert: "Die bisher vorgesehenen Maßnahmen im Bahnhof und in den Tunnels zum Brandschutz und zur Entrauchung müssen verbessert werden. Die Vorschläge der Stuttgarter Feuerwehr werden berücksichtigt." Nicht zuletzt, weil überdeutlich geworden war, dass Rollstuhlfahrer kaum Aussicht auf Rettung hätten.
Regelmäßig stand und steht die DB seither in der Kritik, weil sie genau diese – im Falle des Falles überlebensnotwendigen – Nachbesserungen nie lieferte. Schon gar nicht jene, die dem Geist der stundenlangen Diskussion mit den Projektgegnern vor laufender Kamera entsprochen hätten. Geißler selber war mehrfach laut geworden, unter anderem, weil Klaus-Jürgen Bieger, der Brandschutzbeauftragter der Bahn, ihn mit seinen Worthülsen über "Wunschvorstellungen" und "Simulationsrechnungen", über die Selbst- und die Fremdrettung und die notwendigen Zivilcourage bei der Hilfe für Dritte, auch für Eltern mit Kinderwagen, in Rage gebracht hatte.
Ausführlich hatten die Experten der Kopfbahnhofbefürworter viele Detailangaben zerpflückt und dargelegt, dass Wege und Treppen zu schmal, Fahrgastzahlen zu defensiv gerechnet und Rollstuhlfahrer ohnehin verloren seien. "Wir haben ein Problem", sagte Bieger irgendwann, "wir werden nie zusammenkommen bei der Frage, wie schnell die Reisenden da rauskommen." In seinem Schlusswort attestierte der Schlichter, dass "die Projektgegner eine Reihe von fundierten Gründen gegen Stuttgart 21 und die Neubaustrecke vorgetragen und vor allem auf Risiken, Mängel und Probleme der Stuttgart-21-Projektion hingewiesen haben". Er empfehle der Bahn dringend, aus berechtigten Kritikpunkten Konsequenzen zu ziehen.
Woraus nichts wurde. Gerade beim Thema Brandschutz konnten die Tiefbahnhoffreunde aber nicht zur Tagesordnung übergehen. Was folgte, blieb in weiten Teilen intransparent, jedenfalls gelang es der Bahn nicht, mit den Zuständigen, unter anderem bei der Stuttgarter Feuerwehr, tragfähige Konzepte zu erarbeiten.
Tricks und Täuschungen der Planer
Ende 2012 rügte die Baseler Gruner AG als Gutachterin erneut schwere Mängel, darunter viel zu lange Fluchtwege. Die Fraktionsgemeinschaft SÖS und Linke, die den Tiefbahnhof inzwischen in "Kellerbahnhof" umgetauft hatte, beauftragte Christoph Engelhardt, die Personenstromanalyse der Bahn zu untersuchen. Im Februar 2013 präsentierte er seine vernichtenden Ergebnisse und sah es als erwiesen an, dass "der neue Stuttgarter Hauptbahnhof definitiv nicht in der Lage sein wird, die Reisenden aus 49 Zügen, auch nicht die aus 32 Zügen, pro Stunde in Minimalqualität zu verarbeiten". Und es gebe "Tricksereien bei der Entfluchtung".
23 Kommentare verfügbar
by-the-way
am 20.10.2015Meine Empfehlung: "Proler go home" !
Und nutzen Sie die, solange zumindest noch ein Fluchtweg bleibt...