Um die zwanzig Paar gelbe Gummistiefel stehen um 16 Uhr für die Journalisten bereit. Die Schuhgröße mussten sie vorher angeben. Ebenso bereit liegen weiße Helme und orangefarbene Warnwesten mit der Aufschrift "Bahnprojekt Stuttgart–Ulm". Nur Christoph Ingenhoven ist nicht da. Er sitzt noch im Zug, derzeit 40 Minuten Verspätung.
Schwere Lkw rollen über das Baufeld, dort, wo einmal Park war. Der tiefe Kanal in der Mitte zeigt an, wo die Bahn sich langsam in die Nähe der Mineralwasser-Deckschichten durchgräbt, um den Nesenbachdüker auszuheben, der unter dem Bahnhofstrog hindurchführen soll. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass anstelle dieser kahlen Erdwüste bald der lichtdurchflutete Untergrundbahnhof entstehen soll, der auf Ingenhovens Visualisierungen immer zu sehen ist.
Gleich neben dem Steg, der jetzt die Längsverbindung durch den Schlossgarten ersetzt, steht das Wunderwerk: ein Achtelsegment einer Kelchstütze, die zur Probe schon mal vorab gegossen wurde, um die Einbringung der Bewehrungseisen in die zweifach gekrümmte Form zu erproben und herauszufinden, wie der Beton reagiert, der theoretisch in strahlendem Weiß und ganz glatt aushärten soll.
Weiß ist nicht gleich weiß, man könnte auch von einem sanften Grau sprechen. Durch die Zugabe von Hüttensand wird der Sichtbeton heller, aber das Aushärten dauert zwei bis drei Monate. Sommers wie Winters muss der Beton bei gleichen Temperaturen aushärten, also im Winter beheizt und im Sommer gekühlt werden, in diesem Fall mit flüssigem Stickstoff. Sonst kommt die schöne, gleichmäßige Tönung abhanden. Im Brandfall muss das Ganze hohen Temperaturen standhalten.
Das Projekt ist "völlig ungewöhnlich", ein "geballtes Fachwissen" kommt hier zusammen, ohne Zusammenarbeit aller Experten wäre das so nicht möglich, schwärmt Bernd Hillemeier, emeritierter Professor der Technischen Universität Berlin, den der Projektsprecher Jörg Hamann nur deshalb nicht Betonpapst nennen möchte, um die religiösen Gefühle der Katholiken nicht zu verletzen. "Der normale Bauningenieur", so Hillemeier, "sagt, das kann man nicht bauen. Aber der Architekt möchte es so."
13 Kommentare verfügbar
Thomas B.
am 22.10.2015Hier werden die Probleme, die die Bewegung mit dem Auftraggeber hat und auch der unendliche,…