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Meinungsmache gegen Syriza

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Giorgos Chondros, Umweltsprecher der griechischen Syriza, hat ein Buch geschrieben. Der Titel "Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas" verspricht eine Menge. Und Chondros löst dieses Versprechen ein, meint unser Autor.

Es ist sicher kein Zufall, dass Giorgos Chondros' erstes Buch in Deutschland zwischen dem 20. 9. – zweiter Wahlsieg von Syriza in Griechenland – und dem 20. 12. – Parlamentswahlen in Spanien – erscheint. Denn "Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas" ist nicht nur eine schonungslose Abrechnung mit der Austeritätspolitik der Schäubles, sondern vor allem ein Plädoyer für ein linkes, neues Europa, für das Syriza in Griechenland und Podemos in Spanien gleichermaßen stehen.

Sicher auch kein Zufall, dass dieses Buch mit dem Untertitel "Der Propagandakrieg gegen Syriza" mit zwei Vorworten beginnt: Eines von Efklidis Taskalotos, dem aktuellen Finanzminister in Athen, der dem Autor eine "kaleidoskopartige Analyse" attestiert, und einem zweiten von Lola Sánchez Caldentey, einer 37-jährigen spanischen Politologin, die für die Podemos-Liste 2014 ins Europäische Parlament gewählt wurde und die Podemos und Syriza gemeinsam eine Chance gegen den "alternativlosen" Neoliberalismus einräumt. Dass in Portugal gerade die Befürworter des strengen Sparprogramms die Parlamentswahlen gewonnen haben, passt da natürlich nicht so ganz ins Bild.

Folgerichtig skizziert Chondros deshalb auf den ersten 80 Seiten seines 240-Seiten-Buches das "griechische Problem" als Krise des Kapitalismus und der europäischen Institutionen. Da werden Namen der Troika-Verantwortlichen genannt und – zum Beispiel – die Rolle der deutschen Rüstungsexporte mit all ihrer Schmiergeldpolitik entlarvt. Warum werden nur die korrupten Empfänger in Griechenland angeklagt und nicht die korrupten Finanziers in Deutschland?

Vom Stenogramm zum Psychogramm

Ansonsten liest sich der erste Teil des Buches wie ein belletristisches Lexikon mit einer Unmenge von Statistiken und Zitaten aus Protokollen und Redemitschnitten, mit deren Hilfe der Autor eine detailgetreue und schonungslose Abrechnung der Meinungsmache vor allem deutscher Medien gegen Griechenland und Syriza dokumentiert. Diese Aufstellung beginnt nicht erst mit den Brüsseler Verhandlungen dieses Jahres, sondern setzt weit früher, zu Beginn des griechischen Debakels 2010, an. Viele Aussagen, vor allem über die Verantwortung der Vorgängerregierungen, sind für politisch Informierte auch hierzulande nicht wirklich neu, aber in ihrer lexikalischen Dichte doch immer wieder erschütternd.

Und es ist nicht nur die "Bild"-Zeitung, die vorgeführt wird, auch Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios in Brüssel, oder Manfred Weber, als CSU-Mann auch Vorsitzender des EVP-Fraktion im Europaparlament und Erfinder der "Macht endlich eure Hausaufgaben"-Kampagne, werden faktenreich zitiert. Chondros, auf den in fast allen deutschen Talkshows munter eingeprügelt wurde, rechnet ab, indem er Ross und Reiter der deutschen Meinungsmache gegen Syriza nennt.

So wird aus einem minutiösen Stenogramm ein Psychogramm, das auch die ganz persönlichen Verletzungen und Verunglimpfungen nicht ausspart, denen Chondros während seines Kampfes für Griechenland in Deutschland, weniger in Österreich, ausgesetzt war. Umso erfreulicher, dass er "die anderen Deutschen" nicht zu erwähnen vergisst, die ihm und seinem Land mit Hilfe solidarisch zur Seite stehen. Sogar die Unterstützung aus Konstanz und dem Hegau für die Athener Sozialklinik wird namentlich erwähnt. Auch das Konstanzer Onlinemagazin "Seemoz" und die Kontext:Wochenzeitung werden angeführt.

Weiter für ein linkes Europa

Im zweiten Teil des Buches geht es um Perspektiven eines linken Europas. Dabei formuliert Chondros durchaus selbstkritisch, wenn er bemängelt, dass Syriza sich nicht ausreichend auf die Verhandlungen in Brüssel vorbereitet und für das Scheitern keinen Plan B in der Hinterhand gehabt habe. Und er verhehlt nicht, dass er mit den Syriza-Abweichlern sympathisiert, ohne sich ihnen, wohl aus Parteiräson, anzuschließen.

Die Arbeit an dem Buch hat Giorgos Chondros offensichtlich vor dem zweiten Syriza-Wahlsieg am 20. September abgeschlossen, wie er sich künftig politisch orientieren will, lässt er offen. Doch ein Gleichnis aus der griechischen Mythologie, mit dem das lesenswerte Buch endet, legt den Verdacht nahe, dass Giorgos Chondros weiter für Syriza und ein linkes, gerechteres Europa kämpfen wird. Mit Syriza und womöglich Podemos.

 

Giorgos Chondros, Jahrgang 1958, hat in Wien Ethnologie studiert, spricht darum perfekt Deutsch, ist Umweltaktivist und Umweltsprecher von Syriza, deren Zentralkomitee er angehört. Als Bürgermeister einer Kleinstadt wurde er Gründungsmitglied der griechischen Regierungspartei und hat so die Krise seines Landes und die Verhandlungen mit internationalen Geldgebern hautnah miterlebt.

"Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas" ist am 25. September 2015 im Westend-Verlag erschienen (240 Seiten, 16,99 Euro).

Der Artikel erschien zuerst in dem <link http: www.seemoz.de external-link-new-window>Online-Magazin "Seemoz".


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4 Kommentare verfügbar

  • kurt schetter
    am 17.10.2015
    Antworten
    "Das Zweiparteien-Bündnis „Portugal à Frente“ (PàF/Portugal voran) von Passos hat die absolute Mehrheit im Parlament verloren.
    Die drei linken Oppositionsparteien,die die Sanierungspolitik beenden wollen, errangen zusammen mehr als die Hälfte aller Sitze in der „Assembleia da República“."…
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