Dass es eine Anhörung zum Ausstieg aus dem größten Infrastrukturprojekt in Deutschland gibt, ist bereits bemerkenswert. Immerhin liegt der Baubeginn mehr als acht Jahre zurück. Dass der Beschluss zum Zustandekommen dieser Anhörung – ein Antrag der Linksfraktion – von allen Bundestagsparteien getragen, dieser also einstimmig gefasst wurde, unterstreicht die Bedeutung der Anhörung zusätzlich. Offenbar herrscht inzwischen bei einem Teil der Öffentlichkeit in Sachen Stuttgart 21 eine neue Nachdenklichkeit. Allerdings spricht die Auswahl der Sachverständigen durch Union und SPD dafür, dass die Bundesregierung für ein "Augen zu und durch den Anhydrit" eintritt.
Kostensteigerungen machen vorsichtig
Die neue Sensibilisierung in Sachen S 21 hat viel zu tun mit harten Fakten. Anfang 2018 wurde im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn (DB) eine weitere Kostensteigerung des Großprojekts von bislang 6,5 auf 8,2 Milliarden Euro durchgewinkt. Auf der Verkehrsausschusssitzung vom 18. April erklärte Bahnchef Richard Lutz, Stuttgart 21 sei "komplett unwirtschaftlich". Der mit Stuttgart 21 produzierte <link https: www.stuttgarter-zeitung.de inhalt.stuttgart-21-s-21-bahn-baut-sich-ein-milliardengrab.1b663134-fd3b-4c43-9fa8-eb30afe8d200.html external-link-new-window>Verlust belaufe sich auf "2,228 Milliarden Euro".
Wobei diese Zahl noch deutlich zu niedrig und methodisch fragwürdig ist. Denn wenn S 21 "komplett unwirtschaftlich" ist, dann bringt ein fertig erstellter Tiefbahnhof in jedem Jahr neue Verluste. Wenn die Kapazität um mehr als 30 Prozent abgebaut wird, dann häuft dieser teuer erbaute Engpass Kosten auf Kosten – jahrzehntelang.
In der knallharten privatkapitalistischen Wirtschaft wird genau diese Logik erkannt und meist auch entsprechend verfahren. So stieg der Thyssen-Krupp-Konzern vor einem Jahr aus seinen neu erbauten Stahlwerken in den USA und in Brasilien komplett aus, mit einem Verlust in Höhe von acht Milliarden Euro. Dieser gigantische Betrag wird bei Thyssen Krupp als "sunk costs", als "versunkene Kosten", verbucht. Es gab auch, anders als bei Stuttgart 21, keine Möglichkeit für einen "Umstieg", keine Chance, diese Anlagen zum Beispiel in verkleinerter Form zukünftig zu nutzen. Allerdings bedurfte es mit Heinrich Hiesinger eines neuen Konzernchefs, um zu dieser ebenso radikalen wie rationalen Einsicht zu gelangen.
10 Kommentare verfügbar
Hans Peter Sommer
am 13.06.2018Auf was sich die Bahn mit dem Anhydritvorkommen eingelassen hat sieht man im Engelbergtunnel der B 81.Der verläuft auch durch Schichten von Anhydrrit und ist seit seinem Bestehen eine Dauerbaustelle.Eine de beiden Tunnelröhren ist fast immer wegen Bauarbeiten gesperrt.Wie extrem…