Die beiden oberen Etagen reichen über die mittlere Halle hinweg und sind von allen angrenzenden Gebäudeteilen um vielleicht fünf bis sechs Meter zurückgesetzt. Dies gehört wohl zu den im Protokoll vermerkten Veränderungen, die "in Absprache mit dem Denkmalschutz getroffen worden seien." Denn nur so ist gewährleistet, dass noch Licht in die halbrunden Thermenfenster der Kopfbahnsteighalle und in die Seitenfenster der beiden Schalterhallen fällt. Um diese Bedingung zu erfüllen, musste der Architekt allerdings keine großen Zugeständnisse machen, denn ohne diese Lücke zu den angrenzenden Bauteilen hätten auch die Hotelgäste auf Tageslicht verzichten müssen.
Vorn bleibt das Attikageschoss über den mächtigen Pfeilern nur als Blendmauer erhalten, hinter der, etwas zurückversetzt und etwas höher, der gläserne Baukörper des Hotels aufragt. Wird das Hotel vom Arnulf-Klett-Platz aus sichtbar sein? Den Plänen ist es aus zwei Gründen nicht zu entnehmen: Einmal weil unklar bleibt, ob sie den Zustand vor oder nach der 17. Planänderung darstellen; zum anderen, weil sie die Konturen des Hotels und des Bahnhofsgebäudes nicht in ein Verhältnis zum Bahnhofsvorplatz setzen.
Wundersame Verjüngung und Verkehrsberuhigung im Entwurf
In der Visualisierung von Ingenhoven ist nur bei sehr genauem Hinsehen eine schmale graue Linie oberhalb der Steinkante der Pfeilerhalle zu erkennen. Dafür erstrahlt die Bahnhofsfassade gegenüber dem vorigen Bild, das den Status quo illustriert, plötzlich in neuem Licht, so als beabsichtige der Architekt, die Kalkstein-Quader einer Verjüngungskur zu unterwerfen. Fußgänger schlendern sorglos über die Straße, ohne sich mit den wenigen Mercedes-Cabriolets in die Quere zu kommen, die weiterhin vierspurig über den Bahnhofsvorplatz rollen. Dafür ist der Omnibusverkehr verschwunden. Wohin, das bleibt Ingenhovens Geheimnis.
Wird also das gläserne Hotel, vor allem nachts, hinter der Pfeilerhalle hervorleuchten und damit das Hegel-Zitat überstrahlen, das der amerikanische Konzeptkünstler Joseph Kosuth 1993 dort angebracht hat? Welche Veränderungen tatsächlich "in Absprache mit dem Denkmalschutz" beschlossen wurden, will Peter Dübbers, der Enkel des Bahnhofsarchitekten Paul Bonatz wissen und hat daher mit Norbert Bongartz, dem früheren Oberkonservator und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, um einen Termin beim Landesdenkmalamt gebeten. Natürlich ist der Bonatzbau ohnehin nur noch ein Torso, wie der Grünen-Stadtrat Jochen Stopper zu Recht anmerkt.
Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie von 2019 an die Versorgung der Reisenden funktionieren soll. Die Pressestelle des Bahnprojekts Stuttgart-Ulm verweist auf das Regionalbüro Kommunikation der Deutschen Bahn. Dort antwortet Werner Graf zunächst ganz nüchtern: "Wir haben in Stuttgart Hauptbahnhof am Querbahnsteig all die vorhandenen Flächen zur Verfügung gestellt, um in Verkaufspavillons den wichtigsten Reisebedarf für unsere Bahnkunden sicherzustellen (kleiner Supermarkt, Speisen und Getränke, Zeitschriftenladen)."
Ab 2019: sechs Versorgungs-Container für Reisende
Auf Nachfrage beweist Graf durchaus Humor. Natürlich sei der kleine Container am Gleis 16 nicht mit der "paradiesischen Buchhandlung" in der Bahnhofshalle vergleichbar, "die ich sehr schätze." Aber: "Es gibt sogar Zigarillos, das ist mir persönlich das Allerwichtigste." Am provisorischen Querbahnsteig, wo derzeit die Züge abfahren, stehe sogar "der kleinste Supermarkt Stuttgarts auf zwei Quadratmetern." Graf untertreibt ein wenig: In Wirklichkeit dürfte der Spar-Kiosk mindestens sechs Quadratmeter haben.
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Blender Blender
am 20.07.2017