Walter Feeß ist leidenschaftlicher Zirkulärunternehmer. Er hat mit seiner Firma direkt an der A8 bei Kirchheim/Teck erleben müssen, wie schwierig es ist, einen großen Betrieb der Kreislaufwirtschaft genehmigt zu bekommen. Die Verminderung des Ausstoßes von Treibhausgasen durch Transportvermeidung, der Schutz von exterritorialen Rohstoffvorkommen oder der Verzicht auf Deponien werden in die lokale Abwägung der Schutzgüter nicht einbezogen – all diese guten Argumente können sich daher fast nicht gegen solche für die örtliche Flora und Fauna durchsetzen.
Herzstück des Betriebes ist eine Nassklassierungsanlage. Hier werden die Gesteine gewaschen und sortiert. Für Feeß sind Abbruchgebäude die Rohstoffvorkommen der Zukunft. Die Firma baut zurück und kann bis zu 40 Recyclingbaustoffe aus mineralischen Abfällen herstellen. Und die Qualität stimmt – es ist Feeß besonders wichtig, dass das wiedergewonnene Material ein vollwertiges Substitut für die Stoffe ist, die aus dem offenen Boden genommen werden müssen. Auf die Struktur der Kreislaufwirtschaftsbetriebe im Großraum Stuttgart angesprochen, regt er an, dass in jeder Großstadt vier bis fünf Hektar für die Baustoffaufbereitung zur Verfügung gestellt werden, verteilt auf mehrere Standorte und Betriebe – idealerweise so gelegen, dass die Wege dorthin aus allen Stadtteilen so kurz wie möglich sind. Es fehle bisher nur die Nachfrage.
Kommunen können Motor der Transformation werden
Eine Kreislaufwirtschaft im Bauen umzusetzen, ist eine Aufgabe für alle am Bau beteiligten Disziplinen. Die Gesellschaft muss dafür sensibilisiert werden, dass der Erhalt und die Neuinterpretation von baulichen Strukturen, also die Vermeidung von Baumüll, aus kulturellen und energetischen Gründen immer Vorrang hat.
Es ist offensichtlich, dass die kommunale Planung, dass Stadtentwicklung und Stadtplanung eine Schlüsselrolle bei der Transformation einnehmen. Mit angepassten und fortgeschriebenen Programmen und Planungsinstrumenten auch für moderne Architektur- und Siedlungsformen kann die Städtebauförderung Vorbild für eine Förderkulisse zur Stärkung der städtischen Kreislaufwirtschaft sein. Es wäre falsch, auf verschärfte Gesetze zu warten.
Städte und Gemeinden können die räumlichen Vorrausetzungen schon jetzt schaffen und bereits jetzt handeln – durch Beschlüsse zum Umgang mit dem baulichen Bestand, zu öffentlichen Bauvorhaben oder bei der Ausschreibung städtischer Grundstücke. Sie können Gründer und Innovation fördern und experimentelles Bauen unterstützen. Durch Vorgaben bei öffentlichen Bauaufgaben kann "graue Energie" erhalten oder die Wiederverwendung von Baumaterial vorgegeben werden. Die Ausweisung von Flächen für die Kreislaufwirtschaft kann die ortsnahe Ansiedlung von Recyclingunternehmen fördern.
All das geht nicht von heute auf morgen. Die Umstellung zu einer neuen kommunalen Planungspraxis braucht Zeit und den Raum für Debatten, aber der Anteil an Recyclingmaterial kann jährlich stufenweise gesteigert werden. Ohne die räumlichen Voraussetzungen für ein reformiertes Bauen, für Nassklassierungsanlagen, Bauteilbörsen oder Lagerflächen wird die Transformation der Bauwirtschaft aber nicht gelingen können.
Der vorliegende Text erschien erstmals am 19. Januar im Internetmagazin Marlowes, das sich vor allem den Themen Architektur und Stadt widmet. Für Kontext wurde er leicht gekürzt.
Philipp Schwarz hat Architektur in Berlin und Weimar studiert und in Freiburg das Städtebauliche Referendariat absolviert. Nach beruflichen Stationen bei der Gruppe Planwerk in Berlin, an der TU Darmstadt und im Weinstädter Stadtbauamt leitet er seit 2015 das Planungsamt der Stadt Leinfelden-Echterdingen.
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Thomas Kölschbach
am 03.02.2021